Nahaufnahme:Wagyu statt Mandeln

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"Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Leute alle nur Glühwein trinken wollen." Katja Weber (Foto: oh)

Katja Weber hat einen ganz besonderen Weihnachtsmarkt konzipiert. Wer Designartikel sucht, ist hier richtig.

Von Charlotte Theile

Es soll Leute geben, die Weihnachtsmärkte schrecklich finden. "Das sind komischerweise die, von denen wir am meisten Feedback bekommen. 'Ich bin eigentlich gar kein Fan von Weihnachtsmärkten, aber' - dieses Lob höre ich am häufigsten." Katja Weber lacht ins Telefon. "Was dann interessant ist: Viele können gar nicht sagen, was bei uns anders ist, dass sie es nicht schlimm finden."

Tatsächlich ist der Markt, der in diesen Wochen in bester Lage auf dem Zürcher Sechseläutenplatz stattfindet, ein echter Weihnachtsmarkt. Es gibt Glühwein, Stände, an denen man sich mit Geschenken eindecken kann, Eislaufbahn und Weihnachtsbeleuchtung. Und: Es sind so viele Menschen, dass man nicht über den Markt geht, sondern darüber geschoben wird.

Trotzdem hat Katja Weber, die den Markt zusammen mit einem Team von mehr als 150 Helfern betreibt, recht. Der Markt am Zürichsee ist anders. In den kleinen Buden verkaufen junge Designer und etablierte Labels Produkte, die man sonst vergeblich im Internet sucht. Es gibt ein Chalet, in dem es zwar beißend nach Käsefondue riecht, aber in dem auch ein Kamin, Decken und Selbstgeschnitztes für Stimmung sorgen. Statt Reibekuchen und gebrannter Mandeln isst man japanische Suppen, Wagyu-Burger und peruanisches Fingerfood. Wer jetzt brummt, dieser Hipster-Kram könne ihm gestohlen bleiben, hat nicht ganz unrecht.

Was Katja Weber und ihr Team in Zürich seit einigen Jahren anbieten, richtet sich in erster Linie an ein junges, urbanes Publikum. 2009 begann sie, gemeinsam mit Vania Kukleta, am Montagabend einen Flohmarkt auszurichten - in einem Schwimmbad, zu dem seit dem 19. Jahrhundert tagsüber nur Männer Zutritt haben. Die damals 29-Jährige hatte gerade ihre Stelle bei einem Wirtschaftsprüfer gekündigt, "ich wollte etwas Greifbares machen." Der Design-Flohmarkt kam gut an. Weber, die aus dem Saarland stammt und über die Stelle in der Wirtschaftsprüfung nach Zürich gekommen war, wurde zu einer festen Größe im Kulturleben. Seit 2012 betreibt sie das Projekt "Frau Gerolds Garten", eine Mischung aus Urban Gardening, Gastronomie und Pop-up-Stores, die Fahrradzubehör, Möbel, Kleidung und Duftkerzen verkaufen. Im Advent läuft seit einigen Jahren ein weiterer Markt, "Heiliger Bimbam", eine frühe Version des Weihnachtsdorfs. Das Muster ist immer gleich: modernes Design, hohe Preise. Ein weiteres Kennzeichen ist die Liebe zum Detail. Blumenbeete, einen Holzstamm mit Hammer und Nägeln neben dem Glühweinstand.

"Das Konzept für die Märkte habe ich mitgenommen nach Berlin, wo sie aber bunter und vielfältiger wurden, einfach, weil man in Berlin mehr Platz hat", sagt Weber. Außerdem sei sie in Berlin auf eine neue Idee gekommen, die sie in Zürich umgesetzt hat: Ein Street Food Festival.

Dass Weber jetzt den Weihnachtsmarkt am See ausrichten darf, zeigt, wie viel Einfluss die 36-jährige Deutsche und ihr Team inzwischen haben. Weber setzte sich gegen einige Bewerber durch. Mit viel Glück. "Ich habe mich sowohl bei den Kosten als auch beim Umsatz total verkalkuliert" sagt Weber. Beides sei höher als gedacht. "Könnte also wieder hinkommen."

Bis zu 15 000 Besucher schlendern jeden Tag über den Markt, am Schluss könnten eine halbe Million Menschen da gewesen sein. In den ersten Wochen sei ihnen der Glühwein, ein guter Tropfen, sechs Euro der Pappbecher, ausgegangen, inzwischen sei man schlauer. "Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Leute so viel Glühwein trinken wollen", sagt Weber. Manche Traditionen bleiben eben bestehen. Auch wenn nebenan nicht Nussknacker, sondern Designer-Brillen verkauft werden.

© SZ vom 18.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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