Nahaufnahme:Verkannter Held

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Ein Staatsanwalt in Spanien bringt die Regierung in Bedrängnis - mit ein paar Sätzen im Lokalsender. Den Fall musste Manuel López Bernal abgeben, aber die Proteste gehen weiter.

Von Thomas Urban

Manuel López Bernal hat wohl kaum geahnt, dass er mit ein paar Sätzen in einem Lokalsender nicht nur Tausende von Demonstranten auf die Beine gebracht hat, sondern das ganze Land an den Rand der nächsten Regierungskrise. Bernal war bis vor wenigen Tagen leitender Staatsanwalt, befasst mit dem Kampf gegen Wirtschaftskriminalität in der Region Murcia, dem größten Gemüse- und Obstanbaugebiet Europas. Er führte eine Untersuchung, die mehr war als Routine: Denn sie richtet sich gegen den wichtigsten Politiker in Murcia, Regionalpräsident Pedro Antonio Sánchez, Mitglied der konservativen Volkspartei (PP), die in Madrid unter Ministerpräsident Mariano Rajoy die Regierung stellt.

Doch nun wurde Bernal vom Generalstaatsanwalt José Manuel Maza von dem Fall abgezogen. Maza ist erst vor drei Monaten von Rajoy für dieses Amt durchgedrückt worden, gegen den heftigen Widerstand der Opposition im Parlament. Ihm wird unterstellt, er solle die Prozesslawine gegen PP-Politiker bremsen. Denn es waren Parteifreunde Rajoys, die in mehreren spektakulären Prozessen wegen Korruption zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, etwa wegen der illegalen "schwarzen Kreditkarten" für Aufsichtsratsmitglieder der mittlerweile bankrott gegangenen Caja Madrid oder im Falle der Veruntreuungen von Palma de Mallorca, deretwegen auch Cristina von Borbón, die Schwester des Köngs Felipe, vor Gericht stand, aber im Gegensatz zu den Mitangeklagten freigesprochen wurde.

Der nun abgelöste López Bernal hat gegen den Regionalpräsidenten Sánchez wegen sechs Millionen Euro ermittelt, die vor einem Jahrzehnt beim Bau eines Mehrzweck-Kulturhauses mit Theaterbühne in dessen Heimatstadt Puerto Lumbreras verschwunden sein sollen. Sánchez war damals dort Bürgermeister.

Der abgelöste Staatsanwalt, kampferfahren und kurz vor der Pensionierung stehend, aber machte etwas, was Beamte auch in Spanien nicht tun dürfen: Er ging an die Presse, klagte über politischen Druck und Einschüchterungsversuche, er schilderte gar, wie Kollegen aus seiner Abteilung "nach Mafiamethoden wie in den Zwanzigerjahren" körperlich bedroht worden seien. Damit öffnete López Bernal eine Schleuse. Auch andere Strafverfolger klagten nun über Druck und die mangelnde Ausstattung der Abteilungen für Wirtschaftskriminalität; Tausende von Verfahren könnten deshalb nicht ordnungsgemäß abgeschlossen werden.

Für Rajoy ist die Affäre von Murcia überaus unbequem. Der nüchterne ehemalige Notar aus dem kühlen Galicien in der Nordwestecke des Landes hatte sich zwar immer wieder über den Sumpf im Südosten, nämlich in den Regionen Valencia und Murcia beklagt, und auch seine Genugtuung darüber keineswegs verhehlt, wenn die Staatsanwälte dort einige seiner innerparteilichen Konkurrenten aus dem Verkehr zogen. Doch nun ist die Angelegenheit von großem politischem Gewicht, denn der Regionalpräsident von Murcia hat wegen der Affäre seinen Koalitionspartner verloren, die liberalen Ciudadanos (Bürger), die den Kampf gegen Korruption ganz oben in ihrem Programm stehen haben. Auf die Unterstützung der Ciudadanos ist aber Rajoys Minderheitskabinett auch in Madrid angewiesen.

Es spricht also vieles dafür, dass der neue Generalstaatsanwalt Maza der PP einen Bärendienst erwiesen hat, falls er wirklich hinter der Abberufung López Bernals steckt. Der beschuldigte Sánchez erklärte nun selbstbewusst dazu, er denke nicht daran, wegen ein paar "administrativen Fehlern" beim Bau des Mehrzweckgebäudes zurückzutreten. Die Demonstrationen in Murcia gehen also weiter, Held der Protestler ist, was nicht alle Tage vorkommt, der Staatsanwalt.

© SZ vom 09.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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