Nahaufnahme:Unfreiwilliger Ruhestand

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„Aus kanadischer Sicht wäre es großartig für Kanada, wenn das Auslieferungsersuchen fallen gelassen würde.“ John McCallum (Foto: Chris Wattie/Reuters)

Der kanadische Botschafter in Peking, John McCallum, verliert seinen Job. Hintergrund für den Rausschmiss ist die Huawei-Affäre.

Von Christoph Giesen

War es der Druck? Die Verzweiflung? Oder ein persönliches Signal nach Peking? Genau lässt sich das noch nicht klären. Fest steht bisher nur: Kanada hat seit dem Wochenende erst einmal keinen Botschafter mehr in China, und das ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der die chinesisch-kanadischen Beziehungen so schlecht sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr. "Ich habe John McCallum gestern Abend zum Rücktritt als Botschafter in China aufgefordert und diesen akzeptiert", sagte Kanadas Premierminister Justin Trudeau am Samstag. Einen ausdrücklichen Grund nannte er nicht. Doch worum es geht, ist klar: die Huawei-Affäre.

Am vergangenen Dienstag hatte McCallum vor chinesischen Journalisten in Toronto darüber spekuliert, ob Meng Wanzhou, die Finanzchefin des Netzwerkausrüsters, nicht womöglich gute Chancen habe, vor einem kanadischen Gericht eine Auslieferung in die Vereinigten Staaten abzuwenden. Meng habe "ziemlich gute Argumente auf ihrer Seite", sagte McCallum.

Die 46-jährige Tochter des Huawei-Gründers Ren Zhengfei war auf Antrag eines Bundesgerichts in New York Anfang Dezember in Vancouver festgenommen worden. Meng werden Verstöße gegen Iran-Sanktionen vorgeworfen. Inzwischen ist sie gegen Kaution auf freiem Fuß. Dennoch ist zwischen Peking und Ottawa nichts mehr, wie es einmal war.

Bereits wenige Tage nach Mengs Festnahme wurden in China zwei Kanadier inhaftiert. Michael Kovrig, ein ehemaliger Diplomat, der heute als Politikberater tätig ist, sowie Michael Spavor, ein Geschäftsmann, der Reisen nach Nordkorea organisiert hat. China wirft ihnen Aktivitäten vor, die "die nationale Sicherheit gefährden". McCallum hat beide im Gewahrsam besucht. Im Januar stand dann ein dritter Kanadier im Fokus. Die ursprünglich 15-jährige Freiheitsstrafe eines verurteilten Drogenschmugglers wurde in eine Todesstrafe umgewandelt. Genau einen Tag dauerte das Verfahren.

Im Gespräch mit den chinesischen Journalisten empfahl McCallum Washington einen Deal mit Peking, bei dem eine Auslieferung Mengs nicht länger angestrebt werden solle. Kovrig und Spavor könnten dann freikommen, sagte er. Premier Trudeau und seine Außenministerin Chrystia Freeland haben jedoch immer wieder klargestellt, dass Kanada ein Auslieferungsabkommen mit den USA habe, an das man sich halten müsse.

Die Opposition schäumte: Ein Diplomat, der seine Grenzen nicht kennt und der unabhängigen kanadischen Justiz Ratschläge erteilt, müsse gefeuert werden. McCallum ruderte zurück, er habe Unsinn erzählt, sagte er. Trudeau hielt an ihm fest - vorerst. Doch am Freitag der nächste Lapsus: Einer Journalistin in Vancouver erklärte er, dass es "großartig für Kanada" wäre, wenn die USA ihr Auslieferungsersuchen zurücknähmen. Die Frist läuft Ende Januar aus.

Was McCallum geritten hat, gleich zweimal so undiplomatisch aufzutreten, ist ein großes Rätsel. Den Umgang mit Medien ist der 68-Jährige eigentlich gewohnt, und das seit Jahrzehnten. Zunächst als anerkannter Professor für Volkswirtschaft. In den Neunzigerjahren wurde er zum Chefvolkswirt der kanadischen Zentralbank berufen und war recht bald Dauergast im Fernsehen. Viele Kanadier kennen ihn als Fachmann, der ihnen die Wirtschaft erklärt. 2000 wechselte er in die Politik. Erst als Abgeordneter, danach als Minister in verschiedenen Funktionen: Er war für die Landesverteidigung zuständig, kümmerte sich um die Veteranen und war Chef der Steuerbehörden. Vor seinem Umzug 2017 nach Peking war er Kanadas Minister für Einwanderung. Jetzt ist er im Ruhestand - unfreiwillig.

© SZ vom 28.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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