Nahaufnahme:Um Kopf und Kragen

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"Die Tiere sind besser. Sie kennen den Unterschied zwischen männlich und weiblich." Manny Pacquiao (Foto: AFP)

Der Boxer Pacquiao fällt bei dem Sportartikelhersteller Nike in Ungnade und verliert Millionen.

Von Jürgen Schmieder

Der spätrömische Gelehrte Anicius Manlius Severinus Boethius sagte seinem Gesprächspartner einmal, dass er ihn als Philosophen akzeptieren würde, wenn er nur die Klappe gehalten hätte. Aus dieser Aussage wurde der lateinische Sinnspruch: "Si tacuisses, philosophus mansisses." Emmanuel Dapidran Pacquiao ist kein Philosoph, er ist Boxer. Als solcher ist er, ganz entgegen den üblichen Gepflogenheiten in dieser Branche, bislang nicht als Trash Talker aufgefallen, als Müllredner. In dieser Woche allerdings ließ Pacquiao eine ganze Bootsladung an Müll aus seinem Mund fallen: Homosexuelle seien "schlimmer als Tiere", behauptete er: "Die Tiere sind besser. Sie kennen den Unterschied zwischen männlich und weiblich."

Ein Philosoph wie Boethius hätte den philippinischen Prügler mit Hang zur Homophobie zur Seite genommen, ihm sein Buch "Trost der Philosophie" in die Hand gedrückt und ihm geraten, künftig einfach mal die Schnauze zu halten. Der amerikanische Sportartikelhersteller Nike wählte einen anderen Weg: Das Unternehmen kündigte den Vertrag mit Pacquiao fristlos und kappte sogleich jegliche Verbindungen wie etwa Pacquiaos Profil auf der Nike-Homepage. "Wir haben keine Beziehung mehr zu Manny Pacquiao", heißt es in einer Mitteilung: "Nike wendet sich entschieden gegen jede Form der Diskriminierung und hat eine lange Tradition, die Rechte von Schwulen und Lesben zu unterstützen."

Das Unternehmen ist bekannt dafür, bei Skandalen von Sportlern rasch und rigoros zu reagieren - es kündigte in den vergangenen Jahren die Verträge mit den Footballspielern Ray Rice (verprügelte seine damalige Verlobte) und Michael Vick (organisierte illegale Hundekämpfe), dem Sprinter Oscar Pistorius (erschoss seine Freundin) sowie geständigen Dopern wie der Leichtathletin Marion Jones oder dem Radfahrer Lance Armstrong. Schon 2012 hatte Nike einen Vertrag mit Pacquiao nicht verlängert, als der sich öffentlich gegen die Homo-Ehe ausgesprochen hatte - vor einem Jahr allerdings wurde eine neue Zusammenarbeit abgeschlossen.

Pacquiao war eines der wichtigsten Zugpferde für Nike, schließlich hat er nicht nur Weltmeisterschaften in acht verschiedenen Gewichtsklassen gewonnen, er gilt in seinem größtenteils streng katholischen Heimatland trotz einer Vorliebe für Alkohol und Affären und der Konversion zum evangelikalen Christentum als Volksheld, bei dessen Duellen im Ring die Kriminalitätsrate auf dem Archipel gegen null sinkt.

Am 9. April will er in Las Vegas gegen Timothy Bradley zum letzten Mal im Preisboxen antreten und sich danach auf seine politische Karriere konzentrieren. Gerade kandidiert er für den philippinischen Senat, er möchte später gerne Präsident dieses Landes werden und investiert seine Einnahmen aus dem Boxen im Wahlkampf. Nun hat er etwa 1,5 Millionen Dollar weniger pro Jahr zur Verfügung - auch andere Sponsoren wie Wonderful Pistachios oder Nestlé haben sich von Pacquiao distanziert und erklärt, derzeit nicht mit ihm zusammen zu arbeiten.

Finanziell freilich dürfte Pacquiao, 37, diese Maßnahme kaum stören. Er hat im vergangenen Mai an einer Veranstaltung teilgenommen, die zuvor als "Kampf des Jahrhunderts" vermarktet worden war, sich letztlich aber als weniger spektakulär als ein Wettbewerb im Wattebausch-Werfen herausstellte. Bei diesem Duell gegen Floyd Mayweather junior verdiente er etwa 125 Millionen Dollar, sein Vermögen wird auf mehr als 200 Millionen Dollar geschätzt. Er ist noch immer Multi-Millionär und nun auch ein Boxer, der als Müllredner durchgeht. Nur ein Philosoph wird er in diesem Leben sicherlich nicht mehr. Dazu hätte er einfach die Klappe halten müssen.

© SZ vom 19.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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