Nahaufnahme:Strippenzieher im Knast

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„Ich habe so viele Schwächen, Samsung muss so vieles korrigieren. Diese Krise hat mir gezeigt, dass wir uns ändern müssen.“ Lee Jae-yong. (Foto: AFP)

Die Kommandozentrale von Samsung ist neuerdings eine Zelle von 6,5 Quadratmetern, am Boden eine Matratze: Vizechef Lee Jae-yong regiert aus dem Gefängnis heraus.

Von Christoph Neidhart

Die Kommandozentrale von Samsung ist neuerdings eine Zelle von 6,5 Quadratmetern, am Boden eine Matratze, das Klo im gleichen Raum hinter einer Trennwand. Seit seiner Verhaftung im Februar führt Lee Jae-yong, der Vizechef des Konzerns mit mehr als 80 Tochterfirmen, Samsungs Geschäfte aus dem Gefängnis. Anstelle dunkler Anzüge trägt der 49-Jährige nun Häftlingskleider, der Kontakt zu anderen Insassen ist ihm verboten, jener nach außen streng limitiert.

Der mit 6,6 Milliarden Euro Vermögen drittreichste Südkoreaner verbüßt in seiner kargen Zelle eine fünfjährige Gefängnisstrafe wegen Bestechung, Unterschlagung und Meineid. Obwohl derzeit vor dem Obergericht Seoul sein Berufungsverfahren läuft, wird nicht mit einer Strafmilderung gerechnet. Dass Lee begnadigt würde wie sein Vater Lee Kun-hee, der 2009 wegen ähnlicher Delikte drei Jahre erhielt, aber keinen Tag in Haft saß, gilt in Seoul als undenkbar.

In Korea hält man einen 49-Jährigen für zu jung, um einen Konzern zu leiten, der 20 Prozent von Südkoreas Wirtschaftsleistung generiert. Lee Jae-yong ist auch nur deshalb nachgerückt, weil sein 72-jähriger Vater seit einem Herzinfarkt vor drei Jahren im Koma liegt. Offiziell ist der alte Lee noch Samsung-Chef.

Der Boss im Koma, sein Sohn und Stellvertreter im Gefängnis, das ist keine gute Voraussetzung, um einen Konzern mit etwa 490 000 Mitarbeitern zu führen. Und schon gar nicht, um ihn neu aufzustellen. Doch genau das geschah in den letzten Wochen. Samsung hat sich einer der umfangreichsten Umbesetzungen seines Managements unterzogen: 227 Top-Stellen wurden neu besetzt, ein Fünftel der Führung damit ausgetauscht.

Doch Vater und Sohn Lee, die beide nicht in der Lage sind, am Geschäftsalltag teilzunehmen, behielten ihre Stellen.

Vom Sohn heißt es übrigens, er habe die radikale Umbildung so gewünscht.

Obwohl er die Beförderungen im Detail nicht mit seinen Leuten besprechen konnte, erkennt die koreanische Presse ein klares Konzept dahinter. Die Getreuen des Vaters mussten Jüngeren weichen, die ihre Karriere mit dem Sohn gemacht haben. Mehrere von ihnen stammen aus dem inzwischen aufgelösten Strategiebüro, das den Handel mit Ex-Präsidentin Park ausgeheckt haben soll, mit dem sich der junge Lee die Macht über den Konzern sichern wollte. Und über den er gestolpert ist.

Das Strategiebüro wurde als Zeichen des Einlenkens aufgelöst - das sollte zeigen, dass sich Samsung künftig an die Gesetze halten will. Allerdings: Es war, nachdem die Korruption von Vater Lee aufgeflogen war, schon einmal aufgelöst worden. Und wurde bald danach unter verändertem Namen wieder geschaffen.

Mit dem durchgepaukten Generationenwechsel hat der Sohn seine Macht über den Konzern aus dem Gefängnis gefestigt. Dabei kommt ihm zugute, dass er schon zuvor Hierarchien verflacht und das in Korea fast unantastbare Senioritätsprinzip gelockert hat. Ganz nebenbei hat er damit Leute aus der Kritik nehmen lassen, die nominell mitverantwortlich waren für seine Geschäfte mit Frau Park.

Trotz der Schwierigkeiten hat Samsung-Electronic, der dominante Flügel des Konzerns, den Lee Jae-yong schon länger leitete, im abgelaufenen Quartal 14,5 Billionen Won Gewinn erwirtschaftet - 11,2 Milliarden Euro. So viel wie noch nie. Und die Gewinn-Prognosen zeigen weiter nach oben, vor allem jene der Memory-Chip- und der OLED-Bildschirmherstellung. Auch bei Neuinvestitionen ins Internet der Dinge und in die künstliche Intelligenz lässt Samsung sich nicht davon bremsen, dass der amtierende Chef im Gefängnis sitzt.

© SZ vom 27.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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