Nahaufnahme:Strategie gegen Panik und Hunger

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Marion Jansen: "Transparenz und Kommunikation haben geholfen, Überreaktionen zu vermeiden." (Foto: Twitter)

OECD-Direktorin Marion Jansen entwickelt Pläne, wie der globale Nachschub an Lebensmitteln gesichert werden kann. Dass diese bisher in der Corona-Pandemie funktionieren, hat auch mit der Finanzkrise von 2008 zu tun.

Von Silvia Liebrich, München

Die Corona-Krise setzt die weltweite Kette der Lebensmittelproduktion unter Druck. Doch diese hat sich in den vergangenen Monaten als erstaunlich robust erwiesen. Die Angst der Deutschen vor Versorgungsengpässen erwies sich als unbegründet, die Preise von Nahrungsmitteln blieben relativ stabil. Das alles ist kein Zufall, sondern auch das Ergebnis internationaler Zusammenarbeit, von der in der Regel wenig Notiz genommen wird. So gesehen könnte man Marion Jansen als Krisenmanagerin bezeichnen. Hungerkrisen und Versorgungsengpässe vermeiden, das macht zwar nur einen Teil ihrer Aufgaben aus, aber derzeit wohl den wichtigsten. Jansen ist Direktorin für Handel und Landwirtschaft bei der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung mit 37 Mitgliedsstaaten.

"Unser oberstes Ziel ist es, Panik an den Agrarmärkten zu vermeiden", sagt die 53-Jährige, die ihren Posten bei der OECD im vergangenen September antrat und dort für ein Team mit 120 Mitgliedern zuständig ist. Ein Job, der nicht nur Sachkenntnis, sondern auch Fingerspitzengefühl erfordert. Denn die besten Pläne nützen wenig, wenn Nationen beim Bewältigen globaler Konflikte und Katastrophen nicht an einem Strang ziehen.

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Nationale Eigenheiten kennt die Ökonomin aus ihrer eigenen, ganz persönlichen Perspektive. Jansen ist in Aachen geboren und in den Niederlanden aufgewachsen, studiert hat sie in Frankreich und Deutschland, promoviert in Spanien. Für sie ist klar: "Ich bin eine Europäerin." Auch mit den Eigenheiten globaler Organisationen kann sie umgehen, war sie doch viele Jahre unter anderem für die Welthandelsorganisation (WHO) und für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) tätig.

Jansen erzählt, dass es zu Beginn der Corona-Krise einen kurzen, kritischen Moment gegeben habe, in dem sich die Gefahr rasant steigender Preissteigerungen abgezeichnet habe, nachdem einige Länder Ausfuhrbeschränkungen von wichtigen Grundnahrungsmitteln verhängt hätten. "Das hat an die Preissteigerung während der Finanzkrise 2008 erinnert", die sich für viele ärmere Länder auch zur Hungerkrise entwickelt habe, beschreibt Jansen diesen Moment. Das sollte sich nicht wiederholen. "Die OECD hat mit anderen Organisationen nach der Finanzkrise Frühwarnsysteme aufgebaut, die sich nun in der Pandemie-Phase bewährt haben. Wir hatten so den Überblick, wie viele Nahrungsmittel global zur Verfügung stehen."

Die globalen Nahrungsvorräte waren nach ihren Angaben 2020 ausreichend und sogar etwas größer als in Vorjahren "Wir konnten zusammen mit der Welternährungsorganisation FAO Zahlen vorlegen, die gezeigt haben, dass es keinen Grund zur Panik gibt", sagt Jansen. An den Agrarmärkten sei es daher relativ ruhig geblieben "Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie internationale Zusammenarbeit auf unsichtbare Weise funktionieren kann. Transparenz und Kommunikation haben geholfen, Überreaktionen zu vermeiden."

Wichtig ist Jansen, dass in der Pandemie eine andere gewaltige Aufgabe nicht vernachlässigt wird: Die Klimakrise. Diese lässt sich nur bewältigen, wenn sich auch die globale Landwirtschaft grundsätzlich wandelt. Davon ist die OECD-Direktorin überzeugt. Mit einem Anteil von 21 bis 37 Prozent sei der Agrarsektor einer der wesentlichen Verursacher von schädlichen Emissionen. "Wir müssen verstärkt Anreize für Landwirte setzen, umweltfreundlich zu produzieren und weniger Treibhausgase freizusetzen." Ziel müsse es sein, die gleiche Menge an Nahrung mit weniger negativen Effekten für Klima und Umwelt zu produzieren.

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