Nahaufnahme:Make China great again

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Xi Jinping: „Die wirtschaftliche Globalisierung ist ein unumkehrbarer Trend der Geschichte.“ (Foto: AFP)

Ausnahmezustand in Shanghai: bei der großen Handelsmesse lobt Chinas Staatschef Xi die Globalisierung, dabei denkt er aber vor allem an die Interessen seines eigenen Landes.

Von Christoph Giesen

In Shanghai sind jetzt Feiertage. Am Montag und Dienstag haben die Schulen geschlossen, die Fabriken haben ihre Arbeit eingestellt, die Verwaltung ist in den Ferien - staatlich verordneter Urlaub für eine 24-Millionen-Metropole. Alles soll perfekt sein zur China International Import Expo, der großen neuen Messe, der Messe von Xi Jinping. Eine bedeutende Rede werde der mächtige Staats- und Parteichef halten, hieß es in der chinesischen Presse, ein denkwürdiger Tag, nicht weniger als das politische Ereignis des Jahres. Wirklich?

Das Publikum für die große Ansprache ist mühevoll zusammengebracht worden: Etwa 3600 Unternehmen aus gut 130 Staaten stellen in Shanghai aus, viele der Firmen sind allerdings nur wegen des Drucks hier. Ähnlich verlief es mit den Einladungen für politische Gäste. Die Führung in Peking hatte darum geworben, dass Länder ranghohe Vertreter schicken, 18 Staats- und Regierungschefs reisten letztlich an. Außer Russlands Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew schickte kein G-20-Staat einen Regierungschef. Aus Deutschland sitzt am Montag ein parlamentarischer Staatssekretär im Publikum als Xi zur Rede ans Pult schreitet.

"Die wirtschaftliche Globalisierung ist ein unumkehrbarer Trend der Geschichte", sagt Xi. China wolle seine Einfuhren erhöhen, den heimischen Konsum steigern, Importhürden verringern sowie den Marktzugang und den Schutz der Urheberrechte verbessern, verspricht er. "Wir meinen es ernst mit der Öffnung des chinesischen Marktes."

Ähnliche Worte hatte man schon einmal gehört. Vor knapp zwei Jahren war das. Damals reiste Xi nach Davos in die Schweizer Berge zum Weltwirtschaftsforum und hielt eine sehr charmante Rede. Seine Botschaft: Freier Handel statt Zölle, Kooperation statt Abschottung. Free-Trade-Xi nannten ihn die Manager in Davos hernach entzückt. Ausgerechnet der Generalsekretär der größten und mächtigsten Kommunistischen Partei der Welt hatte ein Loblied auf die Globalisierung gesungen, haargenau jene Rede, die man gerne vom gerade erst gewählten US-Präsidenten Donald Trump gehört hätte, der seine Anhänger derweil mit "America First" aufpeitschte.

Von der Euphorie in Davos ist wenig geblieben. Auch in Shanghai mangelt es an konkreten Vorschlägen zum Abbau der Handelsspannungen. Mit keinem Wort geht Xi auf den Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten ein.

Bei staatlichen Ausschreibungen kommen noch immer vor allem chinesische Hersteller zum Zug. Viele der versprochenen Änderungen sind so verfasst, dass der Status Quo über Jahre unangetastet bleibt. Weiterhin gilt: Kaum eine Volkswirtschaft schottet sich so systematisch ab wie China. Laut einer Erhebung des Industrieländer-Klubs OECD liegt China bei der Offenheit für ausländische Direktinvestitionen derzeit auf Platz 59 von 62.

Es gebe für ausländische Unternehmen in China keine fairen Wettbewerbsbedingungen, stellte auch die Europäische Handelskammer erst im September in ihrem jüngsten Positionspapier fest. Beklagt werden unter anderem bürokratische Marktbarrieren, langwierige Lizenzverfahren, Diskriminierung gegenüber chinesischen Firmen, Behördenwillkür und Benachteiligung bei öffentlichen Ausschreibungen.

Müsste man Xis Politik jenseits der schönen Worte auf eine Formel bringen, würde man im Wortschatz von Trump fündig: "Make China great again." Genau das ist Xis Programm. Auf Chinesisch kommt es subtiler daher: "Fuxing" verlautbart die Propaganda, übersetzt bedeutet das "Erwachen", "Erneuerung" oder "Wiedergeburt". Was ein wenig mystisch klingt, ist knallharter Nationalismus. Zum Wohle Chinas, nicht der Welt.

© SZ vom 06.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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