Nahaufnahme:Laster in der Glaskugel

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Adam Probst: „Ich möchte die erste Adresse sein für Datenanalyse in der Mobilität.“ (Foto: Catherina Hess)

Adam Probst will Schäden an Fahrzeugen identifizieren, ehe sie eintreten. Dafür nutzt er einen komplexen Algorithmus.

Von Jasmin Siebert

Vom 1. Mai 2019 an fahren durch München 100 MVG-Busse, die von künstlicher Intelligenz überwacht werden. In unscheinbaren Kästen werden unterschiedlichste Daten gesammelt und abends auf dem Betriebshof per Wlan an ein Computersystem übertragen. Ein Algorithmus bringt die Daten mit Schadensberichten des Werkstattmeisters zusammen, lernt und passt sich an. So sollen Schäden identifiziert werden, ehe sie eintreten und die Busse zur Wartung schicken, bevor sie liegen bleiben.

Hinter dem Projekt, das zwei Jahre laufen soll und vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, steckt Adam Probst, 30 Jahre alt und Geschäftsführer von Maiot. Offiziell gründete er das Start-up am 1. Juni 2018. Inzwischen beschäftigen er und seine beiden Mitgründer zwei Mitarbeiter und eine Werkstudentin. Die Geschäftsidee entwickelte Probst schon während seines Maschinenbau- und Managementstudiums an der TU München. "Nutzfahrzeuge sind heute Computer auf Rädern", sagt er. In Lastern und Bussen sind heute oft mehr als 400 Sensoren verbaut, mit denen Temperaturen, Drücke, Drehzahlen und Abgaswerte gemessen werden. Wird ein bestimmter Schwellenwert überschritten, leuchtet ein Warnlicht auf. Ansonsten werden die Unmengen an Daten, die die Sensoren erzeugen, aber kaum genutzt. Probst möchte das ändern.

Wenn er einzelne Komponenten eines Fahrzeugs meint, spricht er von "Organen". Um sein Geschäftskonzept zu erklären, greift er gern auf die Medizin als Analogie zurück: Zum Beispiel sei der Blutdruck allein wenig aussagekräftig, um eine Krankheit frühzeitig zu erkennen, da benötige man "eine holistischen Zusammenschau" vieler Parameter. Maschinen haben gegenüber Menschen dabei einen großen Vorteil: "Wir verstehen sie grundsätzlich", sagt Probst. Seine Vision: "Ich möchte die erste Adresse sein für Datenanalyse in der Mobilität." Skeptikern gegenüber der künstlichen Intelligenz erzählt Probst gern von dem brennenden Mähdrescher. Dass die Erntemaschine wegen Überhitzung brennen würde, prophezeite sein Algorithmus sechs Stunden vor Ausbruch des Brandes. Er hätte verhindert werden können - wäre die erste Testphase nicht rein retrospektiv gewesen. In diesem Jahr wird der Live-Einsatz während der Ernte getestet. Probst verspricht, dass sein Algorithmus bei Mähdreschern mit sechs Stunden Vorlauf für alle Komponenten zu 99 Prozent korrekte Vorhersagen treffen könne. Bei Lastern könne Maiot Defekte an den Bremsen bereits zwei Wochen vor Eintreten absehen. Eine Garantie bietet das Start-up aber nicht. "Wir geben nur Empfehlungen ab", betont Probst. Die künstliche Intelligenz könne jedoch helfen, exakte Risikowerte für Versicherungen festzulegen. Ist das Schadensrisiko geringer, weil Fahrzeug, Kühlsysteme und Fracht überwacht werden, könnte auch die Versicherung günstiger werden.

Lange Zeit pflegte Probst einen eher ungewöhnlichen Kleine-Jungen-Traum: er wollte "im BMW-Tower ganz oben zu sitzen". Seine Idole zu Schulzeiten in Amberg waren ernstlich die Chefs von BMW und Porsche. Beim Gründerzentrum der TU München war er nur wegen der Nähe zu BMW aktiv. Nach dem Studium wurde er Trainee bei Knorr-Bremse. Noch immer schwärmt er von der "tollen Zeit" dort, zum Beispiel in Tokio, wo er Bremsen für Züge verkaufte. Wie ein "Kronprinz" sei er behandelt worden; er hatte eine unbefristete, gut bezahlte Stelle. Doch da war auch das Gefühl, nicht er selbst zu sein. Als er 2016 bei einer TU-Weihnachtsfeier hörte, dass das Bundeswirtschaftsministerium einen Digital Hub in München ansiedeln werde, beschloss er, zu kündigen und selbst zu gründen. "Und ich habe es keine Sekunde bereut."

© SZ vom 29.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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