Nahaufnahme:Keine Angst vor großen Zahlen

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Claudia Hasse: "Ich wollte ein Fach studieren, mit dem ich breit aufgestellt bin." (Foto: oh)

Claudia Hasse ist Deutschlandchefin der Munich Re, eines Schwergewichts in der Versicherungsbranche. Eigentlich wollte sie Sprachen studieren, dann wurde es Jura. Jetzt verantwortet sie 1,3 Milliarden Euro Umsatz.

Von Herbert Fromme

Manchmal ist ihr die Stadt zu voll. "München wächst jedes Jahr um weit über 20 000 Einwohner, das ist eine Kleinstadt", sagt Claudia Hasse, Deutschlandchefin des Rückversicherers Munich Re. Das ist global die Nummer zwei der illustren Versicherer der Versicherer.

Wie voll es ist, spüre man, wenn man in normalen Zeiten ein Restaurant sucht oder spontan auswärts frühstücken will. Am Wochenende hilft das E-Bike. "Der Tegernsee und der Chiemsee gehören zu meinen Lieblingszielen, und die Chiemgauer Alpen sind besonders schön." Die Juristin kommt aus Hüllhorst, Kreis Minden-Lübbecke, Ostwestfalen.

Hasse, 49, hat keine Angst vor großen Zahlen. Sie führt 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und verantwortet 1,3 Milliarden Euro Umsatz. Außerdem ist sie zuständig für die Cyberversicherung in Europa und Lateinamerika sowie für drei Tochtergesellschaften. Sie hat sich mit München längst angefreundet - nicht ohne Grund wohnt sie mitten in der Stadt in einer Altbauwohnung in Schwabing.

"Ich wollte ein Fach studieren, mit dem ich breit aufgestellt bin", sagt Hasse. Ursprünglich sollten das Sprachen sein. "Aber dann bin ich zum Glück zu der Erkenntnis gekommen, dass es mir keinen Spaß macht, nur die Gedanken anderer zu übersetzen." Deshalb studiert sie Jura in Passau. In Connecticut ergänzt sie das mit US-Recht und Versicherungsrecht - und kommt so zur Munich Re.

Ist das nicht furchtbar trocken, weit weg von den Menschen? "Überhaupt nicht", reagiert Hasse fast empört. "Wir befassen uns mit sehr realen Problemen." Beispiel Leitungswasserschäden. Sie kosten Hausbesitzer und Versicherer Milliarden im Jahr. "Meine Mutter mit ihren 76 hatte auch so einen Schaden in ihrem Haus in Ostwestfalen." Die Munich Re hat ein System entwickelt, mit dem Daten von Sensoren solche Schäden drastisch reduzieren. Hasse sieht einen gewaltigen Umbruch in der Versicherungsbranche. Alle Unternehmen seien mitten in der Digitalisierung, da könne die Munich Re helfen.

Die Stimmung im Unternehmen ist gut, sagt sie. Aber natürlich spüre man, dass Corona am Nervenkostüm nagt. "Die Pandemie geht mir persönlich nahe." Den Teil-Lockdown im Frühjahr fand sie besonders bedrückend wegen der Unsicherheit und der eingeschränkten sozialen Kontakte. In der aktuellen Phase erlebt sie, dass immer öfter Freunde positiv getestet werden. "Gott sei Dank ist das bislang mit leichtem Verlauf gewesen, aber die Bedrohung kommt näher."

Die Krise wird die Gesellschaft langfristig verändern, glaubt Hasse. "Das Risikobewusstsein ist anders." Die Menschen werden soziale Kontakte mehr schätzen - und es wird nicht mehr selbstverständlich sein zu reisen. "Das wird wieder etwas Besonderes." Hasse reist sehr gerne - vor allem an Orte, an denen sie tauchen kann. "Ich kann nirgendwo so gut entspannen wie im Meer", sagt sie. "Und wenn einem dann eine Riesenschildkröte im Wasser entgegenschwimmt und sich ganz bedächtig bewegt, gibt das eine ganz neue Perspektive."

Hasse wurde 2019 Nachfolgerin von Heike Trilovszky, die mit 57 Jahren die Munich Re verließ, um sich in sozialen Projekten zu engagieren. Hasses Chefin ist Vorstand Doris Höpke. Offenbar setzt der Rückversicherer auf Frauen. Ist Claudia Hasse Feministin? "Das ist eine Frage, die ich kaum beantworten kann, weil man zunächst definieren müsste, was Feminismus ist", antwortet sie. Aber was hält sie von einer Frauenquote? "Ich glaube, das alleine wäre in der Wirtschaft keine gute Idee", sagt sie. "Wir haben im Moment sehr gute Ansätze, wenn man betrachtet, was an Talent und Potenzial bei den Frauen in der Munich Re nachkommt."

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