Nahaufnahme:Jobkiller mit Charisma

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"Kein CEO der Welt lässt gern Leute gehen" - Tidjane Thiam (Foto: AFP)

Tidjane Thiam, Chef der Swiss Credit, verkündet schlechte Zahlen. Die hat ihm noch sein Vorgänger eingebrockt, sagt er.

Von charlotte theile

Um ehrlich zu sein, wolle er die Frage nicht beantworten, sagt Tidjane Thiam ohne die Spur eines Lächelns. Er werde es dennoch tun, "um höflich zu sein". Die Gerüchte, der amerikanische Finanzdienstleister Wells Fargo wolle einen Großteil der Wertpapier-Sparte der Credit Suisse übernehmen, seien nichts als Unsinn, es habe nicht einmal Gespräche gegeben. Thiam, seit dem Sommer CEO der Schweizer Großbank Credit Suisse, spricht, als sei er beim Lunch mit Kollegen. Man wisse ja, wie das sei. Es gebe Leute, die verdienten ihr Geld damit, Gerüchte zu streuen. "Und dann ist es der Job der Corporate People, alles wieder zu dementieren." Die Leute, die dahintersteckten, hätten ihr Geld zu dem Zeitpunkt längst gemacht. Alltag in der Finanzwelt.

Dass ein Unternehmenschef offen darüber spricht, ist ungewöhnlich. Dass Fotografen und Kameraleute fast übereinander fallen, wenn er den Raum betritt: ebenfalls. Auch einige Monate nach seinem Antritt ist Tidjane Thiam in Zürich eine Ausnahmeerscheinung. Er ist gelernter Unternehmensberater, in seinem Lebenslauf findet sich eine Zwischenstation als Minister für Planung und Entwicklung in seinem Heimatland, der Elfenbeinküste. Vor dem Antritt bei der Credit Suisse war er in London in der Versicherungsbranche tätig.

Thiam steht für einen Neubeginn in der kriselnden Schweizer Bankenwelt. Ähnlich wie John Cryan in Frankfurt soll Thiam in Zürich einen Richtungswechsel herbeiführen: das Investmentbanking verkleinern, Vermögensverwaltung und Private Banking ausbauen. Die Ergebnisse, die Thiam an diesem Donnerstag präsentierte, zeigen vor allem, wie viel Arbeit noch vor dem ivorisch-französischen Doppelbürger liegt. 2,9 Milliarden Schweizer Franken, etwa 2,6 Milliarden Euro, Verlust stehen für das Jahr 2015 in den Büchern in der Bank. Es ist das erste Mal seit sieben Jahren, dass die Bank rote Zahlen schreibt.

Grund dafür sind Wertberichtigungen im Investmentbanking und neue Kosten für Rechtsstreitigkeiten. Dass Thiam diese Korrekturen jetzt vornimmt - Hintergrund ist eine überteuerte Übernahme aus dem Jahr 2000 -, ist sinnvoll: So werden die Verluste nicht ihm, sondern seinen Vorgängern angelastet. Thiam betonte, die Verluste des vergangenen Jahres hingen mit Entscheidungen aus früheren Jahren zusammen. Dennoch: Die Zahlen lassen auch Thiam nicht gut aussehen. Besonders die Ergebnisse des letzten Quartals 2015 blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Die Aktie der Bank gab am Donnerstag um mehr als zehn Prozent nach. Die vergleichsweise guten Ergebnisse der Konkurrentin UBS strahlen vor diesem Hintergrund umso heller. Auch die UBS ist von den schwierigen Marktbedingungen betroffen, hat aber, anders als die Credit Suisse, die großen Umbauarbeiten schon hinter sich.

Schon im Oktober, als Thiam seine Strategie für die Credit Suisse präsentierte, waren Stellenstreichungen angekündigt worden. Etwa 4000 Arbeitsplätze sind betroffen, 1600 davon in der Schweiz. "Der größte Jobkiller des Landes" wird er in Schweizer Zeitungen genannt.

"Kein CEO der Welt lässt gern Leute gehen", sagt Thiam. Doch die Bank müsse Fixkosten reduzieren. 500 Millionen Franken jährlich will das Institut sparen. Trotz der Milliarden-Verluste soll die Dividende weiterhin 70 Rappen pro Aktie betragen. Positive Nachrichten gibt es aus dem Asien-Geschäft, eines der Gebiete, die dem neuen CEO besonders am Herzen liege. Dort werde die Bank investieren, kündigte er an.

Thiam, der am Donnerstag komplett auf eine Präsentation verzichtete und einfach Fragen beantwortete, wagte einen optimistischen Ausblick: Wenn es keine große internationale Krise gebe, gehe er davon aus, dass die Bank bis Dezember 2018 ihre Ziele erreiche.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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