Nahaufnahme:Im Schwarm

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"Wer bestimmte Situationen im Leben eines Unternehmers schon einmal erlebt hat, kann darüber ganz anders sprechen als andere." Marcus Wolsdorf. (Foto: Illustration: Sead Mujic)

Der erfolgreiche Gründer Marcus Wolsdorf bespricht Probleme in einer verschwiegenen Gruppe von Unternehmern.

Von Valentin Dornis, München

"Ich bin in einer Phase, in der ich nicht mehr des Geldes wegen arbeiten muss." Diesen Satz sagte Marcus Wolsdorf schon vor einigen Jahren - und wer das mit Anfang vierzig von sich behaupten kann, der muss in seinem Leben einige richtige Entscheidungen getroffen haben. Mittlerweile nutzt er dazu auch die Erfahrungen anderer Unternehmer.

Seine Karriere startete er allerdings auf eigene Faust: Während andere mit 21 Jahren noch das Studentenleben genossen, heuerte Wolsdorf bei der Investmentbank Goldman Sachs an. Vier Jahre blieb er dort, bis er sich 1996 gemeinsam mit seinem ehemaligen Goldman-Kollegen Robert Haselsteiner selbstständig machte. Drei Jahre später gründeten sie den Baufinanzierungs-Vermittler Interhyp. "Wir waren damals harte Hunde", sagt Wolsdorf. Auch heute noch tritt er selbstbewusst auf, ist dabei aber kein Lautsprecher.

Mit seinem Start-up Interhyp wurde der heute 45-Jährige schon jung zum Multimillionär. Vielleicht auch, weil er seine Entscheidungen damals ohne große Sorgen um die Zukunft treffen konnte: "Wenn es nicht geklappt hätte, hätte ich halt was anderes gemacht - ich war ja noch ziemlich jung", sagt Wolsdorf. Heute ist er verheiratet, hat Kinder. "Wenn ich jetzt Start-ups berate, merke ich schon, dass ich anders ticke als früher. Ich sehe viel mehr Probleme als die jungen Gründer."

Heute ist Wolsdorf Mitglied in der Entrepreneurs' Organization (EO), einem weltweiten Business-Netzwerk. Wer sich dort bewirbt, muss einiges mitbringen, unter anderem mindestens eine Millionen Euro Umsatz und mehr als zehn Mitarbeiter. Regelmäßig gibt es Treffen im sogenannten Forum, einer festen Gruppe mit acht bis zehn Mitgliedern. "Da werden zwar keine Entscheidungen getroffen, aber Probleme und Herausforderungen besprochen", sagt Wolsdorf.

Für ihn ist diese Runde eine wichtige Grundlage dafür geworden, mit schwierigen Entscheidungen umzugehen, sagt er. Für die Teilnehmer des Forums gilt absolute Verschwiegenheit, nicht einmal die Ehepartner erfahren, was dort besprochen wird. Das sei zwar manchmal schwierig, sorge aber für eine seltene Form der Offenheit den anderen Teilnehmern gegenüber, sagt Wolsdorf. In der Runde entsteht so eine sehr spezielle Intimität: Die Teilnehmer sprechen über persönliche Dinge, wie sie es sonst vielleicht nur mit ihren besten Freunden tun würden - ohne sich unbedingt nahezustehen. "Viele von ihnen sehe ich tatsächlich nur, wenn wir uns in unserem Forum treffen", sagt Wolsdorf.

Direkt beraten wird man dort allerdings nicht. Im Gegenteil: Vorschläge oder Belehrungen sind sogar untersagt. Die Teilnehmer erzählen stattdessen aus ihrem Berufsleben; von ähnlichen Situationen, die sie erlebt haben, und wie sie damit umgegangen sind. "Wer bestimmte Situationen im Leben eines Unternehmers schon einmal erlebt hat, kann darüber ganz anders sprechen als andere", sagt Wolsdorf. Durch diesen Austausch soll der Einzelne am Ende noch besser in der Lage sein zu entscheiden. Denn wenn man eine solche Entscheidung als den letzten Schritt betrachte, als das finale Ja oder Nein - dann sei genau das nun einmal sein Job, sagt Wolsdorf: "Ein Unternehmer muss einfach in der Lage sein, eine Entscheidung selbst zu treffen." Diese Ansicht fußt auch auf seinem Selbstverständnis, selbst der beste Fachmann für das jeweilige Thema zu sein.

Mit der Beteiligungsgesellschaft HW Capital investiert Wolsdorf immer noch in Start-ups. Aber mittlerweile bringt er sich auch in ganz anderen Bereichen ein: 2013 gründete er das gemeinnützige Verbraucherportal Finanztip. Dafür stellten Wolsdorf und sein Partner Haselsteiner einen Millionenbetrag bereit, obwohl Finanztip als gemeinnützige GmbH keinen Gewinn abwerfen darf. Und auch beim Sportklub Riessersee ließ sich Wolsdorf nicht von der Aussicht auf Profite leiten: 2009 rettete er den Eishockeyverein, dem er sich persönlich verbunden fühlte, mit einer Finanzspritze vor der drohenden Pleite - "für diese Entscheidung gab es tatsächlich keine rational erklärbaren Gründe".

© SZ vom 02.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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