Nahaufnahme:Im Dunkeln

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Hatte der Bankenverband einen Maulwurf im Finanzministerium? Arnold R. gibt an, für den Staat gearbeitet zu haben und von der Lobby-Gruppe bezahlt worden zu sein.

Von Katja Riedel

Es gibt Menschen, die Arnold R. für einen Maulwurf halten. Manche Medien etwa, die in dem Pensionär aus Erkrath einen solchen sehen, nicht im tierischen, sondern eher bildlichen Sinne. Sie spielen auf R.s Werdegang an, auf einen seltsamen Seitenwechsel vom Finanzministerium zum Bankenverband und dann noch einmal für wenige Monate zurück.

Im Plauderton und ungefragt berichtete der 70-jährige ehemalige Finanzrichter im Sommer vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zu fragwürdigen Cum-Ex-Geschäften über diese wechselvollen Jahre. Seitdem gibt es Indizien dafür, dass Arnold R. eine wichtige Figur in einem der größten Steuerskandale der Bundesrepublik gewesen sein könnte. Es gibt im Fall R. viele Merkwürdigkeiten, aber keine eindeutigen Beweise. Sicher ist nur: R. war einer, der in Ministeriumskreisen einen tadellosen Ruf genoss - und auf Seiten jener Leute höchst willkommen war, die milliardenschwere Tricksereien mit Steuererstattungen zu einem lukrativen Geschäftsmodell entwickelten. Die Behörden schritten erst ein, als der Staat schon um einen mutmaßlich zweistelligen Milliardenbetrag ärmer war.

Tatsächlich hat Arnold R. kurz vor seiner Pensionierung für beide Seiten gearbeitet. Angeblich nicht zu speziellen Cum-Ex-Fragen, aber zu hochkomplexen Steuersachverhalten. Er galt als einer der wenigen, die die Steuergesetzgebung mit allen Feinheiten durchdrungen haben. So einer ist beliebt, so einer wird gehört, gefragt und umgarnt. Im Fall von Arnold R. führte das zu einem Grenzgängertum, das mindestens ein Geschmäckle hat. R. hätte die Möglichkeit gehabt, dem Staat die Wünsche der Banken einzuflüstern und Informationen aus der Steuerabteilung des Finanzministeriums an Interessierte weiterzugeben. Dass er dies auch getan hat, ist nicht belegt.

2004 ließ sich Arnold R. für vier Jahre ans Finanzministerium abordnen. 2010 ging er in Ruhestand. Dazwischen lag ein entscheidendes Jahr, in dem R. offiziell beurlaubt war. R. sagt, er habe einfach weitergearbeitet - im Ministerium, bezahlt vom Bankenverband (BdB). Der habe ihm in etwa sein normales Jahresgehalt gezahlt, nachdem R.s Abordnung endete. Während dieser habe er sich "einen großen Ruf" als "absolute Spitzenkraft" in Investmentsteuerfragen geschaffen, sagt sein ehemaliger Abteilungsleiter aus dem Ministerium.

Der Bankenverband bestreitet, dass er über R. einen Maulwurf ins Ministerium eingeschleust habe und spricht von nur 10 000 Euro, die R. als Berater erhalten habe, ausdrücklich nach dessen Zeit im Ministerium.

Auch sein ehemaliger Chef bestreitet, dass R. über gelegentliche Abstimmungen hinaus weiter für das Ministerium tätig gewesen sei. "Ich wusste gar nicht, dass er noch für uns arbeitet", sagte er dem Untersuchungsausschuss. Seines Wissens habe R. an einem Gutachten für den Bankenverband geschrieben. "Er hatte wohl keinen Spaß mehr, als Richter zu arbeiten, so kurz vor der Pension", mutmaßte der Ex-Chef. Keinesfalls handele es sich um ein mit dem Ministerium abgesprochenes Beschäftigungsmodell. Eine Seite sagt die Unwahrheit. Nur welche?

R. sei "immer gutmütig und hilfsbereit, unheimlich beschlagen" gewesen, urteilt sein ehemaliger Chef. Möglicherweise habe R. ein wenig zu dick aufgetragen. Er sei als Typ "vielleicht auch ein wenig eitel, weil er sein Wissen, seine Potenz zur Schau stellen konnte". Jeder, der sich der Pensionierung nähere, sei gut beraten, sich ein Hobby zu suchen. Investmentsteuerrecht, das sei "sein Steckenpferd" gewesen. Das, was anderen "ein Schrebergarten" bedeutet. Maulwürfe sollen dort ja ungern gesehen sein.

© SZ vom 24.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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