Nahaufnahme:Größer ist besser

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AGCO-Chef Martin Richenhagen kämpft für eine industrielle Landwirtschaft: größere Einheiten, ganz neue Techniken, höhere Produktivität. Nur die, glaubt er, könne eine wachsende Weltbevölkerung versorgen.

Von Markus Balser

Wenn diese Woche Deutschlands größte Biomesse "Biofach" in Nürnberg beginnt, ist Martin Richenhagen längst wieder zu Hause in den USA. Der 63-Jährige hat gerade in Deutschland auf Konferenzen für das getrommelt, was er unter moderner Landwirtschaft versteht. Richenhagen ist Chef des US-Agrarmaschinenkonzerns AGCO mit 20 000 Beschäftigten und zehn Milliarden US-Dollar Umsatz und damit einer von zwei Deutschen an der Spitze eines US-Großkonzerns. Schon von Berufs wegen sieht seine Prognose anders aus als die von Bio-Anhängern und ihren Öko-Höfen.

Der Deutsche treibt mit seinem Unternehmen voran, was hiesige Verbraucher auf Großdemonstrationen gerade mit Verve bekämpfen: eine industriellere Landwirtschaft. "Die Herausforderungen sind gewaltig", sagt Richenhagen. "Heute leben sieben Milliarden Menschen auf der Erde. 2050 werden es neun bis zehn Milliarden sein. Wir müssen es schaffen, die landwirtschaftliche Produktion in den nächsten zwanzig bis dreißig Jahren zu verdoppeln - bei sinkenden Flächen." Denn täglich gingen schließlich weltweit 100 Hektar Agrarfläche durch Urbanisierung verloren. Für Richenhagen ist klar, was das heißt: mehr Produktivität, größere Einheiten und der Einsatz ganz neuer Techniken. Landwirtschaftliche Betriebe müssten in Zukunft gemanagt werden wie moderne Fabriken. Beispiel Pflanzenschutz: Die Kunst bestehe darin, mit gezielteren Dosierungen den Einsatz von Dünger zu senken, Felder etwa von Drohnen überwachen zu lassen. "Big Data hält jetzt auch in der Landwirtschaft Einzug", ist sich Richenhagen sicher. "Wir werden in den nächsten Jahren erleben, dass sich die Branche vom Handwerk zum Fertigungsprozess wandelt. Denn je größer ein Betrieb ist, desto besser macht er das."

Richenhagen ist mit seinem Credo in Deutschland zu einer der Reizfiguren in der Debatte geworden. Ob ihm die Proteste Sorgen bereiten? Nein, mancher Deutsche ärgere sich halt einfach gerne, findet Richenhagen. Viele stutzen bei solchen Sätzen. Leute, die ihn näher kennen, schätzen gerade diese ungekünstelte Offenheit. Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher zum Beispiel, der den Manager Anfang der Siebzigerjahre beim Reiten kennenlernte, sagte: "Wenn Richenhagen einen Imageberater engagieren würde, würde er an Wirkung verlieren." Die kommt in jedem Fall in der Wirtschaft gut an. Dem ehemaligen Reitlehrer und Oberstudienrat für Französisch, katholische Religion und Philosophie verhalf ein Bekannter zur Managementkarriere. Ex-BDI-Chef Jürgen Thumann beförderte Richenhagen aus dem Stall in sein Stahlunternehmen, finanzierte ihm ein BWL-Fernstudium. Ihm, dem Lehrer, der von Wirtschaft keine Ahnung hatte und der in Cordhosen beim Vorstellungsgespräch in Düsseldorf auftauchte. Richenhagen wechselte später zum deutschen Traktorenhersteller Claas in Ostwestfalen. 2004 ging er in die USA. AGCO sitzt in Duluth nahe Atlanta und ist der drittgrößte Landmaschinenhersteller der Welt. In Deutschland ist der Konzern mit der Marke Fendt vertreten.

Auch beim zweiten großen Streitthema seiner Branche bezieht Richenhagen eine in der Landwirtschaft umstrittene Position: "Das Freihandelsabkommen TTIP ist eine historische Chance für Europa", glaubt Richenhagen. Kein anderes Land werde mit seinen Exporten mehr profitieren als Deutschland. Große Hoffnungen auf einen schnellen Abschluss macht sich Richenhagen allerdings nicht. "In diesem Jahr wird es wohl zu keiner Einigung mehr kommen." Eine Entscheidung müsse bis September stehen, damit die Obama-Regierung das Vorhaben noch vor den Wahlen abschließen könne. "Das dürfte knapp werden."

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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