Nahaufnahme:Fordernder Franzose

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Thierry de La Tour d'Artaise: "Alle Konzernteile müssen sich ständig anpassen und wettbewerbsfähig sein." (Foto: AP/dpa)

Der WMF-Eigner zwingt die Traditionsfirma aus Geislingen zur Sanierung. Töpfe und Besteck werden künftig woanders produziert.

Von Leo Klimm

Niemand kann behaupten, Thierry de La Tour d'Artaise hätte den Mitarbeitern etwas vorgemacht. Jobgarantien für Beschäftigte seien "nichts wert", sagte der Chef des Haushaltsgeräteherstellers SEB schon, als er die Übernahme des schwäbischen Traditionsunternehmens WMF verkündete. De La Tour machte auch keinen Hehl daraus, dass er die Firma nicht wegen des Bestecks und der Kochtöpfe kauft. "Uns interessiert die starke Position von WMF bei Kaffeevollautomaten für die Gastronomie", so de La Tour. Denn dieses Geschäft boomt.

Der stets freundlich zwinkernde Herr legt also Wert darauf, keine falschen Versprechen zu machen. Jetzt, zweieinhalb Jahre nach dem Kauf von WMF für stolze 1,6 Milliarden Euro, greift er durch: Der französische Adelsmann verlangt dem prestigereichen Besteckhersteller aus Geislingen eine Sanierung ab, um "die Leistungsfähigkeit des Unternehmens schnell zu erhöhen", wie es in einer Mitteilung heißt. Unter dem Vorbesitzer, dem Finanzinvestor KKR, war die WMF-Belegschaft stark geschrumpft. Sollten die Mitarbeiter gedacht haben, unter SEB lasse der Druck nach, sehen sie sich eines Besseren belehrt: Das Sparprogramm der Franzosen betrifft bis zu 400 der weltweit 6200 Arbeitsplätze bei WMF.

Wieder einmal muss der Stammsitz in Geislingen das Gros der Restrukturierung verkraften. Was dort noch übrig ist von der Produktion von Edelstahltöpfen und Besteck, wandert bis Ende 2020 an italienische und französische SEB-Fabriken ab. Ähnlich ist es vor Jahren den anderen deutschen Firmen Krups und Rowenta ergangen, die ebenfalls zum Imperium von SEB gehören, jenem unscheinbaren Weltmarktführer für kleine Haushaltsgeräte. Dass der Name des neuen Sparprogramms für WMF, "Agenda 21", irgendwie an schmerzhafte Sozialreformen eines SPD-Kanzlers unter der Devise "Agenda 2010" erinnert, dürfte aber ein unglücklicher Zufall sein.

"TTA", wie er bei SEB genannt wird, hat früh deutlich gemacht, dass er sich mit den mageren Gewinnen des WMF-Stammgeschäfts nicht zufrieden gibt. "Alle Konzernteile müssen sich ständig anpassen und wettbewerbsfähig sein", sagte er 2017. Zwar beteuerte er auch, er wolle "nicht versuchen, die Rendite herbeizusparen". Da sich die traditionellen Aktivitäten aber noch schlechter entwickeln als erwartet, muss jetzt doch gespart werden, um die von de La Tour geforderte Umsatzrendite von zehn Prozent zu schaffen. Über Abfindungspakete für ausscheidende Mitarbeiter, Altersteilzeit und vor allem durch Schaffung neuer Jobs im wachsenden Kaffeegeschäft soll der Wandel der ehrwürdigen Württembergischen Metallwarenfabrik, 1853 gegründet, zu einem global agierenden Premiumanbieter für Kaffeemaschinen gelingen. Diese einträgliche WMF-Sparte übertrifft de La Tours Erwartungen bisher sogar. Prompt verspricht SEB hier "eine schnellere internationale Expansion und höhere Investitionen". Geislingen, heißt es in de La Tours Umfeld, bleibe "das Herz von WMF". Es soll dem Unternehmen nicht so ergehen wie der Firma Krups, von der de La Tour in Deutschland kaum mehr übrig ließ als den Vertrieb.

Für ihn selbst geht es bei der Restrukturierung von WMF auch darum, SEB geordnet zu übergeben. De La Tour, der mit einer Nachfahrin des Firmengründers verheiratet ist, wird bald 65 Jahre alt; sein Nachfolger ist ausgemacht, wenn auch nur inoffiziell. "TTA" war es, der SEB in bisher 19 Jahren an der Firmenspitze dank Zukäufen bis nach China zu einem Weltkonzern mit 6,8 Milliarden Euro Jahresumsatz geformt hat. Und: SEB hat einen Ruf als hochrentable Geldanlage zu verteidigen - wobei fast die Hälfte der Aktien von de La Tours Verwandtschaft kontrolliert werden. WMF soll damit nicht nur seine Karriere krönen. Sondern auch möglichst keinen Grund für Familienfehden liefern.

© SZ vom 12.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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