Nahaufnahme:Flexible Arbeit mit System

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"Ich werde künftig der freie Kreative im Unternehmen sein", sagt Michael Schmutzer. (Foto: Markus Puettmann)

Warum Michael Schmutzer als Chef der Coworking-Firma Design Offices aufhört.

Von Uwe Ritzer

Mit dem Notebook im Café arbeiten, womöglich sogar Besprechungen und Treffen dort abhalten - alles vorbei. Nicht nur, aber auch wegen Corona. Das sagt zumindest Michael Schmutzer, der mit gewisser Berechtigung von sich behaupten kann, ein besonderes Gespür für Entwicklungen zu haben, was räumliche Bedingungen für Arbeit angeht. Als viele Unternehmen ihre Beschäftigten noch in Bürowaben pferchten, begann Schmutzer bereits damit, spezielle "Working Spaces" zu kreieren und sie sowohl Firmen als auch Einzelpersonen stunden-, tage-, wochenweise oder auch längerfristig anzubieten. Flexible Arbeitssphären, in denen jeder für sich, aber auch gemeinsam mit anderen arbeiten kann; an einem Tisch, bei Bedarf aber auch in kleineren Lounges, größeren Konferenzräumen oder gar Sälen. Und stets in einem Umfeld, in dem Design, Vintage-Optik und auf Wunsch Gastronomie sich vermischen.

Design Offices heißt das Unternehmen, das Schmutzer 2008 in Nürnberg gegründet hat. Und das heute an 35 Standorten in 14 Städten auf 165 000 Quadratmetern solche auf die digitale Arbeitswelt zugeschnittene Coworking-Spaces samt allerhand Serviceleistungen anbietet. Die Firma wuchs so schnell, dass Schmutzer 2018 die Beteiligungsgesellschaften EMH und Art Invest an Bord holte, um die rasante Expansion leichter zu stemmen. Er verkaufte ihnen die Mehrheit an Design Offices und behielt selbst nur rund ein Fünftel der Anteile. Schmutzer blieb allerdings CEO, der operative Chef. Nun zieht er sich vom Chefposten zurück, nicht aber von der Firma.

"Ich werde künftig der freie Kreative für das Unternehmen sein", sagt Schmutzer. Soll heißen: "Losgelöst von der Gesamtverantwortung für eine Firma mit 450 Beschäftigten, die auch viel administrative Geschäftsführung erfordert." Darum wird sich vom 1. Juni an Joachim Gripp als neuer CEO kümmern, den Schmutzer Anfang 2019 als Chief Operating Officer (COO) engagiert hat und seinen "idealen Nachfolger" nennt. Der arbeitete vorher unter anderem bei Maredo, Vapiano und KFC und gilt als Spezialist für Systemgastronomie.

Hinter Schmutzers Amtsverzicht steckt die Absicht, sich nach zwölf Jahren unternehmerischer Aufbauarbeit selbst wieder mehr kreative Freiheit zu verschaffen. Der 53-jährige Fürther ist ein unkonventioneller Macher. Als Teenager kreuzte er so oft bei einem Designer-Möbelhaus auf und bot seine kostenlose Mitarbeit an, bis er die ersehnte Lehrstelle als Verkäufer bekam. Später begann er, Möbel zu entwerfen, arbeitete als Berater und gründete schließlich Design Offices. Aus der Überzeugung heraus, dass die Digitalisierung das Arbeiten komplett verändern wird und damit auch die Arbeitsplätze.

Künftig will Michael Schmutzer für Design Offices neue Betätigungsfelder und Betreibermodelle nicht nur entwickeln, sondern auch umsetzen helfen. Wie "Everyworks", ein von Design Offices betriebenes Angebot der Deutschen Bahn am Berliner Hauptbahnhof, das es bald auch an anderen großen Bahnhöfen geben soll. Es umfasst 300 Coworking-Arbeitsplätze und flexible Meetingräume, die bei Bedarf via App zum mobilen Arbeiten oder für Besprechungen gebucht werden können. Nur für eine Viertelstunde, auf Wunsch aber auch für Tage oder Monate. Ideal für alle, die von unterwegs aus in Ruhe etwas abarbeiten, telefonieren oder sich mit anderen besprechen und konferieren wollen.

"Privatheit wird ein immer größeres Thema beim Arbeiten", sagt Schmutzer. Weniger das Home-Office meint er damit, dem Schmutzer auch künftig keine überragende Bedeutung zumisst, als vielmehr das Zusammenarbeiten kleiner, digital vernetzter Gruppen von unterschiedlichen Orten aus. Ausgenommen öffentlichen Cafés oder Hotellobbys.

© SZ vom 29.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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