Nahaufnahme:"Etwas weniger Fortune"

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„Ich kann Ihnen sagen, dass ich vollumfänglich hinter Glyphosat als sicherem Produkt stehe“, sagt Werner Baumann. (Foto: OLIVER BERG/AFP)

Rollenkragenpulli und graue Hose: Bei einer Diskussion in Düsseldorf gibt sich Bayer-Chef Werner Baumann gelassen.

Von Benedikt Müller

Der Bayer-Chef kommt im schwarzen Rollkragenpulli, graue Hose, ohne Schnickschnack. "Für uns ist wichtig, dass wir im Dialog sind", sagt Werner Baumann. Der 56-Jährige muss dieser Tage viel Kritik einstecken: Erst hat Bayer den Saatguthersteller Monsanto übernommen, den Umweltschützer wegen des Unkrautbekämpfungsmittels Glyphosat verschmähen. Dann hat Baumann verkündet, dass Bayer Tausende Stellen streichen will. Jetzt hat sich der Vorstandschef in Düsseldorf den Fragen von Lesern der Rheinischen Post gestellt. Wieder sind Umweltschützer vor Ort, aber auch Aktionäre und frühere Mitarbeiter.

Allen gibt Baumann Antwort.

Seit Mai 2016 steht der Rheinländer an der Spitze des Chemie- und Pharmakonzerns. Gleich zu Beginn handelte Baumann den Kauf von Monsanto aus, mit mehr als 50 Milliarden Euro die größte Übernahme, die ein hiesiges Unternehmen je in Amerika gewagt hat. "Wir haben die größtmögliche Sorgfalt walten lassen, als wir uns Monsanto angesehen haben", sagt Baumann zwar. Und doch ist die Bayer-Aktie jetzt, wo der Konzern die neue Tochter integrieren kann, ein Drittel weniger wert als beim Antritt des Vorstandschefs.

Ein Grund sind die etwa 9300 Klagen gegen Monsanto, die Bayer zuletzt zählte. "Die Zahl wird heute höher sein", räumt Baumann ein. Seitdem eine Agentur der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hat, ermuntern Anwälte in den USA Krebskranke zu entsprechenden Schadenersatzklagen - obwohl viele andere Studien den Wirkstoff für ungefährlich halten, jedenfalls bei sachgerechtem Einsatz.

Dennoch hat ein US-Gericht im August Monsanto in einem ersten Prozess zu mehreren Millionen Schadenersatz verurteilt, weil das Unternehmen einen krebskranken Hausmeister nicht ausreichend vor den Gefahren des Pflanzenschutzmittels gewarnt habe. Diese erste Instanz habe nun entschieden, sagt Baumann, doch habe Bayer Berufung eingelegt. "Ich kann Ihnen sagen, dass ich vollumfänglich hinter Glyphosat als sicherem Produkt stehe."

Der gebürtige Krefelder hat Wirtschaftswissenschaften in Aachen und Köln studiert. Seit 30 Jahren arbeitet er bei Bayer, machte in Spanien und den USA Karriere. Vor knapp neun Jahren zog er als Finanzchef in den Vorstand ein. In den Jahren danach sei alles richtig gelaufen, was hätte richtig laufen können, sagt der Vater von vier Kindern. Gerade habe er eben "etwas weniger Fortune".

Baumann gibt sich gelassen, obwohl nun angeblich der US-Fonds Elliott bei Bayer eingestiegen ist. Der Investor ist dafür berüchtigt, dass er Vorstände öffentlich kritisiert und auf Umbrüche drängt. "Ich kann Ihnen sagen, dass mich noch keiner angerufen hat", sagt Baumann kühl. Elliott steige gerne in Unternehmen ein, die an der Börse unterbewertet seien. "Wir haben bei 60 Euro jede Menge Potenzial nach oben", sagt der Bayer-Chef, dessen privates Portfolio auch überwiegend aus Aktien seines Konzerns bestehe.

Dass Bayer nun 12 000 Stellen streichen und Randsparten verkaufen will, habe nichts mit dem Monsanto-Kauf zu tun, beteuert Baumann. Vielmehr laufe das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten nicht wie erhofft, auch fehlen der Pharmasparte vielversprechende Innovationen. "Solche Entscheidungen sind extrem schwer zu treffen", sagt der Rheinländer. Immerhin hat er den Gewerkschaften versprochen, keine betriebsbedingten Kündigungen in Deutschland auszusprechen.

Als ihn ein Leser in Düsseldorf schließlich fragt, ob er Monsanto noch mal übernehmen würde, falls er die Entscheidung abermals treffen müsste, sagt Baumann geschwind Ja. "Und zwar ohne jedes Wenn und Aber."

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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