Nahaufnahme:Es wird kalt

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Eugene Kaspersky gibt besondere Einblicke in die Welt der Hacker und erklärt die Festnahme eines Mitarbeiters.

Von Hakan Tanriverdi

Eugene Kaspersky, 61, glaubt, dass es von Vorteil ist, aus Russland zu kommen. "Wenn es um professionelle Cyberkriminelle geht, haben wir die besten Hacker der Welt". Er sagt das in einem ironischen Tonfall: seine Landsleute, diese Schlingel.

Die nach ihm benannte IT-Sicherheitsfirma, vor allem als Antiviren-Hersteller bekannt, bekomme als Erste mit, wenn Hacker neue Arten finden, sich in Netzwerke einzuschleichen. Über Untergrundforen im Internet werden diese Tricks weitergegeben, organisierte Kriminalität ist global vernetzt. Kaspersky erzählt, dass er sein Wissen über erfolgreiche Abwehr teilt - mit Sicherheitsfirmen und Behörden, Interpol, Europol, FBI, FSB. Doch die Hacker seien schneller, besser vernetzt, sagt er.

Kaspersky war gerade zu Besuch in Deutschland: Sicherheitskonferenz, Bundestag, zwei weitere Stopps, alles in einer Woche. Auf Fachkonferenzen erzählt er: Die größten Spionage-Angriffe würden von Hackern verübt, die "chinesisch, russisch und englisch" reden. Nicht gebrochenes Englisch wohlgemerkt, sondern die grammatikalisch korrekte Version. Sie kommen aus den USA und Großbritannien, das meint er damit.

Doch seine eigentliche Botschaft vermittelt Kaspersky nicht über das, was er sagt, sondern schlicht darüber, dass er weiterhin präsent ist.

Wenn Kaspersky auf der Bühne steht, präsentiert er sich nicht als Hacker, der an einer KGB-Hochschule ausgebildet wurde, sondern als Stand-up-Comedian für Nerds. Anstatt zu sagen, dass die Autoindustrie sich erst mit Sicherheit beschäftigen sollte, bevor sie ihre Wagen komplett vernetze, entscheidet er sich für Sätze wie: "Mittlerweile ist sogar der Lada vernetzt." Das Auto aus Russland, das im Westen lange Zeit als unzuverlässige Klapperkiste wahrgenommen wurde, sei nun ebenfalls ein rollender Computer. Obwohl man sagen muss: Steht es um IT-Sicherheit wie etwa bei Autos schlecht, steht es gut um die Kasse Kasperskys. Seine Firma kann mehr Produkte verkaufen.

Nach seinem Auftritt ist der Mann deutlich ernster: "Wir erwarten ein Abkühlen der Gespräche", sagt er. Abkühlen ist eine Stufe vor Einfrieren. US-Medien berichteten, dass der Informationsaustausch zwischen Experten aus Russland und den USA teilweise zum Erliegen gekommen ist. Als Grund verweist Kaspersky auf die geopolitische Lage. Seit Monaten diskutiert die Welt vor allem über eine Hacker-Gruppe: APT28. Das APT steht für advanced persistent threat; talentierte Hacker, die sich hartnäckig in Netzwerken ihrer Opfer festsetzen und sich Geheimdokumente schnappen. Die Gruppe wird beschuldigt, während des US-Wahlkampfs die Demokraten gehackt zu haben, und sie verschaffte sich im Mai 2015 auch Zugang zu Daten des Deutschen Bundestags. Die Stimmung verbesserte auch nicht gerade, dass der russische Inlandsgeheimdienst (FSB) Ende Januar vier Menschen festnehmen ließ. Einer von ihnen arbeitet bei Kaspersky. Der Vorwurf lautete Landesverrat, sie sollen im Zuge der US-Wahl Informationen an die USA weitergeleitet haben. Schwerwiegende Vorwürfe sind das und sie belasten die Zusammenarbeit der Experten.

Auf seinen Mitarbeiter angesprochen formt der Firmengründer eine Null mit seiner rechten Hand. "So viele Informationen haben wir darüber. Er ist einfach verschwunden." Der Mann habe ein Team von fünf Mitarbeitern geleitet, keiner von ihnen sei vom Geheimdienst weiter befragt worden. "Mir zeigt das: Es hatte nichts mit der Firma zu tun." Für den internationalen Ruf von Kaspersky sind diese Nachrichten eher schädlich, genau wie für die IT-Sicherheit weltweit. Der organisierten Kriminalität fehlt derzeit ein ebenbürtiger Gegner.

© SZ vom 28.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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