Nahaufnahme:Einfach mal nett sein

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Robert Fornaro: "Die Nummer eins beim Preis zu sein, bedeutet nicht, dass der Service schlecht sein muss." (Foto: Bloomberg)

Robert Fornaro will die meistgehasste US-Fluglinie umkrempeln. Das wird nicht einfach, denn das Image von Spirit Airlines ist einfach nur miserabel.

Von Jürgen Schmieder

Eine Reise mit der Fluglinie Spirit Airlines reihen Menschen in ihrer Erinnerung ein irgendwo zwischen Wurzelbehandlung und Anruf bei einer Versicherungs-Hotline. Wer sich von diesem Unternehmen befördern lässt, der braucht Geduld und gute Nerven. Laut US-Verkehrsministerium kamen im vergangenen Jahr nur 69 Prozent aller Flüge pünktlich an, das Magazin Consumer Reports nannte die Kundenzufriedenheit "die niedrigste, die wir jemals über alle Branchen hinweg gemessen haben". Das Marktforschungsinstitut Fractl veröffentlichte kürzlich in einer Studie, dass keine Fluglinie in den sozialen Netzwerken derart beschimpft wird wie Spirit.

Das Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren alle Mühe gegeben, sich als schwarzes Loch für Serviceleistungen zu präsentieren. Es gehörte zur aggressiven Expansionspolitik, dass der Kunde für den zugegebenermaßen oftmals sehr günstigen Flugpreis eben nur die Beförderung von einem Ort zum anderen bekam und für jede noch so kleine Zusatzleistung zahlen musste, ob das nun eine Gebühr für Handgepäck war, zwei Dollar für einen Ausdruck der Bordkarte am Automaten oder gar zehn Dollar, wenn einem ein Mitarbeiter dabei half. Das alles führte dazu, dass Spirit die einzige US-Fluglinie ist, die vom Flugreisen-Bewerter Skytrax mit nur zwei Sternen bewertet wird.

Für zahlreiche dieser Maßnahmen war Geschäftsführer Ben Baldanza verantwortlich, der in Interviews schon mal erklärte, wie egal es ihm doch sei, dass viele Passagiere sein Unternehmen hassen, solange genug von ihnen aufgrund der Preise das nächste Mal dann doch wieder einen Flug bei Spirit buchen.

In einer Werbeanzeige presste er sich in die Gepäckablage eines Flugzeugs, dazu teilte er über eine Sprechblase mit: "Wer weiß, was die Menschen in diese Fächer stopfen würden, wenn wir keine Gebühr fürs Handgepäck eingeführt hätten?" Im Jahr 2012 verweigerte er einem Kriegsveteranen, der aufgrund seiner Krebserkrankung nicht fliegen konnte, die Rückerstattung des Flugpreises von 197 Dollar.

Baldanza ist gewiss kein netter Kerl, seine Strategie jedoch war überaus erfolgreich. Allein im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Passagiere um 27 Prozent auf 16 Millionen. Seit Januar allerdings ist Baldanza nicht mehr verantwortlich für Spirit, er krempelt mittlerweile die isländische Fluglinie Wow um. Nachfolger Robert Fornaro stellt nach sechs Monaten fest, dass es gar nicht so einfach ist, das jahrelang selbst besudelte Image eines Unternehmens zu verändern.

"Die alten Zeiten sind vorbei", verspricht Fornaro, und er sagt sogar: "Ich sehe keinen Sinn darin, die Kunden zu piesacken. Wir werden uns ändern, wir wollen bekannt dafür sein, dass wir pünktlich, freundlich und sauber sind."

Die Strategie von Fornaro: Er will die Pünktlichkeit seiner Fluglinie erhöhen, weil er darüber die zusätzlichen Kosten für Mitarbeiter sparen kann, die aufgrund der Verspätungen Überstunden machen müssen. Und er will über erhöhte Freundlichkeit seiner Angestellten dafür sorgen, dass nicht mehr so viele unzufriedene Kunden sein Unternehmen verklagen oder eine Rückerstattung fordern.

"Je effizienter wir arbeiten, desto geringer sind die Kosten für Entschädigungen", sagt Fornaro. Das klingt ganz so, als wolle der neue Chef seinen Angestellten einen Kurs in Kulturwandel verpassen, damit sie das Image der Firma drehen. Aber das dürfte schwierig werden. Laut dem Vergleichsportal Glassdoor bewerten nicht nur die Kunden, sondern auch die Mitarbeiter ihren Arbeitgeber als ausgesprochen gräuselig.

© SZ vom 13.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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