Nahaufnahme:Eine, die sich kümmert

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Die Santander-Chefin Ana Patricia Botín erhält die Auszeichnung als Europäische Bankerin des Jahres. Bei dem spanischen Geldhaus arbeitet sie daran, die Krise zu überwinden.

Von Thomas Urban

Seit zwei Jahren steht Ana Patricia Botín an der Spitze der größten Bankengruppe Europas, und seitdem hat sich dort einiges geändert. So hat sie die Devise "Expansion in alle Richtungen" aufgegeben, nach der ihr Urgroßvater Emilio I., ihr Großvater Emilio II. sowie ihr Vater Emilio III. aus einer lokalen Sparkasse in der Hafenstadt Santander einen globalen Konzern mit fast 200 000 Angestellten und 120 Millionen Kunden gemacht haben. Die 56-Jährige, die zwar stets lächelt, sich aber auf ihren Karrierestationen in den USA und Großbritannien den Ruf einer "eisernen Lady" erarbeitet hat, predigt stattdessen Nachhaltigkeit, Effizienz und Qualität.

Für die ersten Schritte zur "strategischen Wende", die auf "Ertragsqualität" abziele, wird sie nun in Frankfurt als "European Banker of the Year 2015" ausgezeichnet. Die Auszeichnung vergibt seit 1994 "The Group 20+1", der 20 Wirtschaftsjournalisten sowie der Unternehmer Nader Maleki angehören. Die Spanierin ist die dritte Frau, die den Preis erhält: 1998 war es Hanna Gronkiewicz-Waltz, damals Präsidentin der Polnischen Nationalbank, heute als Oberbürgermeisterin von Warschau stark unter dem Druck der antiliberalen Regierung, 2012 Annika Falkengren, Vorstandsvorsitzende der schwedischen SEB. Sehr schnell hat Botín gehandelt, als sie nach dem Tod ihres Vaters 2014 an die Konzernspitze aufstieg: Zwei Drittel der Spitzenpositionen hat sie mit neuen Leuten besetzt. Um zwei Drittel hat sie auch die zuletzt kontinuierlich gezahlte Dividende gekürzt, von 60 auf 20 Cent pro Aktie. Die große Krise, die Spanien mit dem Platzen einer gigantischen Immobilienblase vor mehr als acht Jahren erfasste, hat offenbart, dass der Branchenriese in seinem Mutterland durchaus anfällig ist. Allerdings machte der Umsatz in Spanien zuletzt nur noch rund 13 Prozent der Gesamtbilanz aus. Das damals noch gute, aber mittlerweile eingebrochene Südamerika-Geschäft brachte die Gruppe durch die Krise. Nach wie vor schreibt der Gesamtkonzern Milliardengewinne, jedoch mit absteigender Tendenz. Die eingeleiteten Umstrukturierungen sind teuer.

Allerdings musste sich Ana Patricia Botín vorhalten lassen, dass sie, ebenso wie ihr Vater, zu Boomzeiten die Anzeichen für die globale Finanzkrise ignoriert hat. Sie selbst wird nicht müde, die einzelnen Etappen der Wende in der Konzernpolitik zu erklären, im Detail kennt sie auch den Alltag an den Kundenschaltern. Sie ist eine Kümmerin, große Auftritte scheut sie, so wie sie auch ihre Familie von den Medien abschirmt. Homestories mit ihrem Ehemann aus altem Adel sowie den drei Söhnen hat es nie gegeben. Da war Emilio III. anders. Er liebte es, von König und Ministern hofiert zu werden, auf elitäre Safaris zu fahren und sich als Sponsor der Formel 1 feiern zu lassen. Bei seinen Geschäften hat er aber nicht immer genau hingeschaut, mehrere zugekaufte Banken in Lateinamerika sowie in den USA erwiesen sich als Sanierungsfälle. Heute muss die Tochter diese Baustellen schnell in den Griff bekommen. Die ersten Zahlen sprechen dafür, dass dies gelingt.

Botín ist die Älteste von sechs Geschwistern und die einzige, die es in die väterliche Branche gezogen hat. Die anderen sind eher nach der Mutter, einer Pianistin und späteren Kunstmäzenin, musisch veranlagt. Sie weiß auch, dass ihr Vater in der Branche wegen seiner mitunter rüden Methoden gefürchtet war; dass gerade in Spanien die grenzenlos spekulierenden Bankiers neben der korrupten Politikerklasse als die Hauptschuldigen der Krise gelten - nicht zu Unrecht. Mit ihrer ruhigen, stets sehr konzentrierten Art hat Botín zweifellos dazu beigetragen, dass unter ihren Landsleuten allmählich Vertrauen in die Branche zurückkehrt.

© SZ vom 03.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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