Nahaufnahme:Ein neuer Euro-Pakt

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Catherine Mann: „Wenn mehrere Euro-Länder ihre Ausgaben ein klein wenig erhöhen, ist der Gesamteffekt größer als die Summe der einzelnen Maßnahmen.“ (Foto: Bloomberg)

Catherine Mann weiß, wie man die Geldpolitik entlasten kann. Die Chef-Volkswirtin der Citibank hat schon viel Erfahrungen gesammelt.

Von Jan Willmroth

Es gibt so viel zu besprechen in diesen Tagen, man muss Catherine Mann schon unterbrechen, damit sie nicht alle Themen im Alleingang abgrast. Sie spricht über den Handelsstreit zwischen den USA und China, über die Gefahr von Zöllen für die EU, die Europawahlen und die Populisten in Italien, die Notenbanken in der Welt und im Speziellen jene in der Euro-Zone. Erste Botschaft: Die Nullzinspolitik wird noch eine ganze Weile andauern. "Der Handelskrieg hat es noch schwieriger gemacht, die Geldpolitik zu normalisieren", sagt Mann. Und die günstige Phase, in der das auch in der Euro-Zone hätte gelingen können, mit synchronem weltweiten Wachstum, robusten Arbeitsmärkten und ausgabefreudigen Konsumenten, gehe zu Ende.

Keine guten Aussichten: Erst beginnt die Weltwirtschaft zu lahmen, und dann kommt auch noch der Handelskrieg dazu.

Ein Konferenzraum in den funktionalen Räumen der Citibank in der Frankfurter Innenstadt, Mann ist ein paar Tage auf Deutschland-Besuch und hat zwischen Kundenterminen etwas Zeit, um ein paar Dinge zu besprechen. Zum Beispiel die letzte und wahrscheinlich lukrativste Abzweigung in ihrer langen Karriere als Ökonomin. Hinter ihr lagen unter anderem ein Sitz im Kreis der Wirtschaftsberater von George Bush senior, 13 Jahre in der Forschungsabteilung der US-Notenbank und vier Jahre als Chefökonomin des Industrieländerklubs OECD, bis sie im Februar 2018 als Chef-Volkswirtin zur Citibank kam.

In Deutschland ist Mann keine Unbekannte. Immer wieder hatte die OECD die Bundesrepublik in den vergangenen Jahren ermahnt, mehr zu investieren. Schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme gehören für die Schülerin des Keynes-Jüngers und Nobelpreisträgers Paul Krugman zum normalen Instrumentenkasten der Wirtschaftspolitik. Für die unionsgeführten Bundesregierungen der vergangenen Jahre, vor allem das Finanzministerium unter dem früheren Minister Wolfgang Schäuble, gehörten solche Dinge eher zur Kategorie Teufelszeug. Manns Forderung von 2016, mit höheren öffentlichen Ausgaben dem um sich greifenden Populismus entgegenzuwirken, verhallte schnell.

Bei der Citibank hat sie jetzt einen Vorschlag für Europa aktualisiert, den die OECD vor zweieinhalb Jahren in ihrem jährlichen Wirtschaftsausblick versteckt hatte. In einem aktuellen Papier beschreiben die Citibank-Experten, wie eng der Spielraum ist, in dem sich die Geldpolitik im Falle eines neuen Abschwungs bewegen würde, und wie man ihn vergrößern kann. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat es auch nach neun Jahren der ultralockeren Geldpolitik nicht geschafft, ihr Inflationsziel von unter, aber nahe zwei Prozent zu erreichen. Das Wachstum in der Euro-Zone hat sich zuletzt wieder leicht abgeschwächt. Die erste Zinserhöhung ist bis mindestens nächstes Jahr vertagt. Und der Handelskonflikt macht die wirtschaftlichen Aussichten nicht gerade besser.

Mann plädiert daher für ein europäisches Konjunkturprogramm, um die Geldpolitik zu entlasten. Sie ließ ihre Volkswirte ausrechnen, was den größeren Wachstumseffekt hätte: eine EZB, die ihre Geldpolitik wieder lockert, bei gleichbleibenden Staatsausgaben - oder Staaten, die ihre Ausgaben erhöhen, bei konstanter Geldpolitik. Das Ergebnis fiel eindeutig zugunsten der Konjunkturspritze aus. "Wenn mehrere Euro-Länder ihre Ausgaben ein klein wenig erhöhen, ist der Gesamteffekt größer als die Summe der einzelnen Maßnahmen", sagt Mann. Zumindest in Modellrechnungen wäre das Inflationsziel der EZB bald erreicht, und die Notenbank könnte die Geldpolitik normalisieren. Wobei die Idee viel zu gut klingt, um politisch umsetzbar zu sein: neue Schulden? Nicht mit Deutschland.

© SZ vom 04.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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