Nahaufnahme:Die Ware Macht

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Marc Ladreit de Lacharrière ist einer der bekanntesten Kultur- und Medienunternehmer Frankreichs und lässt kaum etwas unversucht, um die Wahl zu beeinflussen.

Von Leo Klimm

Macht und Einfluss - das ist Marc Ladreit de Lacharrières Business. Seine Geschäfte drehen sich nicht um banale Dinge, nicht um Äpfel, Birnen oder Schrauben. Nein, Ladreit bestimmt mit seiner Ratingagentur Fitch über das finanzielle Wohl und Wehe von Konzernen und Staaten. Und als Kultur- und Medienunternehmer trägt er zur Verbreitung von Trends und Ideen bei. Der Pariser Milliardär Ladreit handelt mit immateriellen, aber wirkmächtigen Waren.

Auch auf Frankreichs Präsidentenwahl, deren erster Wahlgang am Sonntag ansteht, hat er Einfluss genommen. Das allerdings unfreiwillig - und daher auch mit unbeabsichtigtem Ergebnis. Denn der Entrepreneur ist in den Finanzskandal um den konservativen Präsidentschaftsbewerber François Fillon verwickelt. Seit die Affäre Ende Januar aufflog, hat Ladreits langjähriger Freund Fillon seinen Favoritenstatus in den Umfragen verloren.

Die Revue des deux mondes ist eine renommierte, fast 200 Jahre alte Literaturzeitschrift - eine Institution der Kulturnation Frankreich. Sie zu besitzen ist für Ladreit ein besonderer Stolz. Und dort hat er Fillons Frau Penelope - der in einem anderen Teil der Affäre Veruntreuung von Staatsgeld vorgeworfen wird - 2012 und 2013 als "literarische Beraterin" beschäftigt. Die Frage, ob sie für die 100 000 Euro, die Ladreit zahlte, wirklich gearbeitet hat, interessiert die Justiz weniger. In Ladreits Fall geht es eher darum, ob er sich mit dem Nebenjob für Madame für Freundschaftsdienste Fillons in dessen Zeit als Premierminister bis 2012 revanchiert hat. Dass Ladreit Penelope Fillon auf Bitten des Politikers beschäftigt hat, soll er Pariser Medien zufolge in einer Vernehmung schon eingeräumt haben. Womöglich, so der Verdacht, war das der Dank dafür, dass Fillon ihn zuvor in Rekordgeschwindigkeit in den sehr erlesenen Orden der "Grand-Croix" der Ehrenlegion befördert hatte.

"Ich habe nie irgendeinem Politiker nahegestanden, damit dies meinem Geschäft dient", verteidigte sich Ladreit Ende März. "Ich bin ein wahrhaft unabhängiger Mann." Gesichert ist dennoch, dass Ladreit und Fillon viele finanzielle Bande einen: "MLL", wie Freunde ihn nennen, war Kunde bei Fillons Beraterfirma, gewährte ihm einen zinslosen Kredit, lieh ihm seinen Jet.

Ladreits Vermögen beträgt dem Wirtschaftsmagazin Challenges zufolge 2,3 Milliarden Euro. Im Gegensatz zu anderen in den besseren Pariser Kreisen hat er sich den Reichtum selbst erarbeitet. Ladreit, 76, entstammt verarmtem südfranzösischem Adel. Seinen Erfolg begründete er 1968 mit der Aufnahme an die Pariser Kaderschmiede ENA. Zwar entschied er sich, für ENA-Absolventen ungewöhnlich, nach der Eliteuni sofort für eine Karriere in der Wirtschaft. Er arbeitete erst als Banker und als Finanzvorstand des Kosmetikmultis L'Oréal, bevor er sich Anfang der Neunziger selbständig machte. Doch die ENA verschaffte ihm ein bis heute wertvolles Netzwerk in die gesamte französische Elite einschließlich der Politik. Auch international ist er gut verdrahtet, etwa als Aktionär eines Investmentfonds, der von Ex-US-Finanzminister Tim Geithner geführt wird.

Zu Ladreits Firmenreich zählen Immobilien, Hotels - und natürlich Fitch, die von ihm gegründete Ratingagentur. Sein Herz aber gehört der Kultur. "MLL" zählt zu den wichtigsten Mäzenen des Louvre, besitzt selbst eine große Kunstsammlung und einen Konzertsaal. Wobei Kultur auch ein Geschäft ist - besonders wenn es um Massenkultur geht: Mit Jeuxvideo.com betreibt Ladreit die wichtigste französische Videospiele-Seite. Wie sich zuletzt erwies, sind die Onlineforen dieser Seite ein Tummelplatz für Rechts- und Linksextreme, die dort Jungwähler ansprechen wollen. Auch hier hat Ladreit Einfluss auf die Wahl. Unfreiwillig. Und anders als gedacht.

© SZ vom 20.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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