Nahaufnahme:Die Millionen-Frage

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Es handele sich bei der Konstruktion lediglich um eine "Kostenübernahme", beteuern Middelhoffs Anwälte. (Foto: dpa)

Hat Thomas Middelhoff versucht, Teile seines Vermögens zu verschieben? Am Montag tagte erstmals der Gläubigerausschuss.

Von Uwe Ritzer und Georg Wellmann

Auf den ersten Blick sieht das Papier aus wie ein unübersichtliches Organigramm. Thomas Middelhoff hat es gemalt, ehemaliger Vorstandschef des Medienriesen Bertelsmann und des Handelskonzerns Arcandor. Die Kästchen, Linien, Pfeile und handschriftlichen Anmerkungen illustrieren die zahlreichen Verfahren, in die der Manager verstrickt ist; staatsanwaltschaftliche Ermittlungen, Prozesse, andere juristische Auseinandersetzungen. Punkt für Punkt werde er alles abarbeiten, sagte Middelhoff noch vor wenigen Monaten. Und gab sich dabei siegesgewiss.

Bislang ging die Sache ziemlich schief, wie man weiß. Im November wurde Middelhoff (noch nicht rechtskräftig) wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Gefängnis verurteilt und in Untersuchungshaft gesteckt. Gesundheitlich angeschlagen, kam er erst vor wenigen Tagen gegen Kaution wieder frei. Ende März stellte Middelhoff einen Antrag auf Privatinsolvenz. Mehr als 50 Gläubiger fordern eine hohe zweistellige Millionensumme von ihm. Am Montag tagte erstmals der Gläubigerausschuss in Hannover.

Gleichzeitig verdichten sich die Anzeichen dafür, dass Middelhoff offenbar versucht hat, einen großen Teil seines Vermögens dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen, in dem er sie vor dem Insolvenzantrag an seinen Anwalt Hartmut Fromm übertragen hat. Das geht aus Dokumenten hervor, die WDR, NDR und S üddeutsche Zeitung einsehen konnten.

So haben Middelhoff und seine Ehefrau ihre Ansprüche an neun Immobilienfondsbeteiligungen sowie weitere Vermögenswerte von insgesamt rund 90 Millionen Euro an Firmen abgetreten, die Fromm gehören. Ein Geschäftsbesorgungsvertrag sorgte dafür, dass Middelhoff weiter Millionensummen für seine persönliche Lebensführung sowie Rechts- und Prozesskosten erhalten hat. Den internen Unterlagen zufolge kassierte Middelhoff so in den Jahren 2011 bis 2014 rund 6,5 Millionen Euro.

Nun könnte die Vermögensübertragung angefochten werden, weil die Gläubiger möglicherweise benachteiligt wurden. Im Raum steht zudem die Frage, ob die eidesstattliche Vermögensauskunft, die Middelhoff im vorigen Jahr gegeben hat, falsch war. Die Staatsanwaltschaft Bochum ermittelt in diesem Zusammenhang schon seit Herbst 2014 gegen Middelhoff. Der Ex-Manager und seine Anwälte halten die Vorwürfe für nicht begründet. Detaillierte Fragen dazu ließen der Ex-Manager und Fromm am Montag unbeantwortet.

In Juristenkreisen wird eine solche Vermögensübertragung "Asset Protection" genannt. Das bedeutet, das eigene Hab und Gut rechtlich vor der Haftung und dem Zugriff Dritter zu schützen. Wichtig hierbei ist jedoch, rechtzeitig mit der Planung und Umsetzung zu beginnen und nicht erst in der Krise. Denn dann droht die Anfechtung der Vermögensübertragung. Im Falle Middelhoffs wird sich nun der Insolvenzverwalter sehr genau anschauen müssen, wann und wie Middelhoff seine Vermögensrechte übertragen hat.

Nach Recherchen von WDR, NDR und SZ hatten Gläubiger bereits seit Ende 2013 versucht, in das Vermögen des Ex-Managers zu pfänden. Nach außen hält Middelhoff nämlich unverändert die Immobilienfondsbeteiligungen. Die Erträge daraus aber wurden an den neuen "Rechteinhaber" gezahlt, der die Gelder dann bis 2014 mit Hilfe des Geschäftsbesorgungsvertrags an Middelhoff weiterreichte. Nach Angaben von Middelhoffs Anwälten handelt es sich hierbei aber nicht um Einnahmen, sondern um eine "Kostenübernahme" zugunsten ihres Mandanten. Kritiker meinen jedoch, Sinn und Zweck einer solchen Konstruktion sei es, die Einnahmen den Gläubigern vorzuenthalten.

© SZ vom 19.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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