Betsy Duke als Chefin von Wells Fargo:Die Dame vom "Drive-thru"

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"Ins Epizentrum einer Krise zu marschieren, ist für mich nichts Neues." Betsy Duke. (Foto: Reuters)

Betsy Duke rückt als erste Frau an die Spitze einer US-Großbank. Ihre Karriere hatte sie an einem Drive-thru-Schalter begonnen.

Von Claus Hulverscheidt

Als sie nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll, nahm sich Betsy Duke ein Herz und fragte in der nahe gelegenen Reinigung nach einer Stelle als Aushilfe. Die junge Frau war gerade mit dem Schauspielstudium fertig und hatte bereits zwei Jobs: Sie spielte als Statistin in einem Cole-Porter-Musical mit und bediente im Theater-Restaurant die Gäste, die zum Festpreis so viel Flunder in sich hineinstopfen konnten, bis ihnen der Fisch sonst wo stand. Finanziell über die Runden kam sie dennoch nicht, und nun sagte auch noch die Reinigung ab.

Was für ein Glück! Denn in ihrer Not nahm Duke eine Teilzeitstelle bei der Bank of Virginia Beach an, wo sie fortan am Autoschalter arbeitete. Es war der Beginn einer steilen Karriere, die nun, 40 Jahre später, ihrem Höhepunkt entgegenstrebt: Anfang 2018 wird Duke "Chair", also gewissermaßen Aufsichtsratschefin des altehrwürdigen Geldhauses und ehemaligen Postkutschenbetreibers Wells Fargo. Die heute 65-Jährige rückt damit als erste Frau überhaupt an die Spitze einer US-Großbank.

Duke erledigte ihren Drittjob so brillant, dass sie rasch ins Hauptgebäude umzog

Noch heute erledigen viele Amerikaner einfache Geldgeschäfte gerne am Steuer ihres Autos, indem sie zum Drive-thru ihrer Bank fahren, das Fenster herunterkurbeln und Geld in einen Automaten stecken oder aus ihm herausholen. Die Schalter sehen aus wie die Mischung aus einer Tankstelle und einem Fast-Food-Ausgabetresen. In den Siebzigern saßen in den Hutzelhäuschen tatsächlich noch Menschen, Frauen zumeist, die die Kunden bedienten.

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Dass eine der Damen die Aufmerksamkeit der Bankbosse erregen würde, war unwahrscheinlich. Doch Duke erledigte ihren Drittjob so brillant, dass sie - ausgestattet mit einer Vollzeitstelle - rasch ins Hauptgebäude umzog. Selbst Vorstandschef Burt Harrison bekam Wind von ihren Leistungen - und als die Bank Mitte der Achtzigerjahre verkauft wurde, gründete er mit seiner Lieblingsangestellten und deren Mann einfach eine neue. 1991 starb Harrison überraschend, tags darauf übernahm Duke die Führung des Geldhauses. Ein gutes Jahrzehnt und einige Übernahmerunden später wurde sie gar als erste Frau zur Chefin des US-Bankenverbands gewählt.

2007 schlug Präsident George W. Bush Duke für den Vorstand der Notenbank Fed vor. Der damalige Fed-Chef Ben Bernanke erinnerte sich später an eine Kollegin, die nicht nur Praxiserfahrung einbrachte, sondern bei aller Freundlichkeit auch "schonungslos sein konnte, wenn es denn nötig war". Ganze 41 Tage nach ihrem Amtsantritt kollabierte das Geldhaus Lehman Brothers - und die Neu-Notenbankerin fand sich inmitten einer der größten Finanzkrisen wieder, die die Welt je gesehen hat.

Einige Abgeordnete halten Duke für ungeeignet

Für die Aufgabe, die nun vor ihr liegt, war das vermutlich eine gute Schule, denn auch Wells Fargo steckt im tiefsten Sumpf der Firmengeschichte: verzweifelte Mitarbeiter, die wegen unerreichbarer Zielvorgaben Millionen Scheinkonten eröffneten, katastrophales Binnenklima, dubiose Versicherungsaufschläge bei der Vergabe von Autokrediten - seit nunmehr einem Jahr reißen die Skandalmeldungen nicht ab.

Einige Abgeordnete des US-Kongresses halten Duke für ungeeignet, die laufenden Aufräumarbeiten zu überwachen: Zwar ist sie erst seit Januar 2015 Mitglied des Wells-Fargo-Boards und damit für die Fehlentwicklungen nicht verantwortlich. Gemeinsam mit ihren Führungskollegen muss sie sich aber vorhalten lassen, zu spät auf die Hinweise und Beschwerden von Kunden und Mitarbeitern reagiert zu haben.

Die Gescholtene hält die Kritik für haltlos und kündigte an, das Management um den neuen Vorstandschef Tim Sloan "so strikt wie nur irgend möglich" zu überwachen. "Ins Epizentrum einer Krise zu marschieren", so Duke zur Nachrichtenagentur Bloomberg, "ist für mich nichts Neues."

© SZ vom 11.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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