Nahaufnahme:Die Arbeiter-Führerin

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Brigitte Ederer: "Ich glaube schon, dass ich einiges bewegt habe." (Foto: imago)

Man nannte sie mal die "rote Gitti", dann ging die Sozialdemokratin zu Siemens. Jetzt soll Brigitte Ederer über die umstrittene Übernahme von Osram durch AMS wachen.

Zuletzt war es ruhiger geworden um sie, doch nun hat Brigitte Ederer, 63, ehemalige Siemens-Topmanagerin und bis heute eine der bekanntesten Politikerinnen Österreichs, einen neuen, brisanten Job: Sie soll als neutrale Schiedsrichterin darüber wachen, dass die umstrittene Milliarden-Übernahme des Münchner Lichtunternehmens Osram durch den österreichischen Chipanbieter AMS zum Erfolg wird.

In Insiderkreisen wird Ederer nicht selten und auch nicht zufällig die "rote Gitti" genannt. Dabei ist rot hierbei durchaus politisch zu verstehen: Die gebürtige Wienerin mit den kurzen Haaren war lange eine wichtige Figur in Österreichs Sozialdemokratie. Eine Kämpferin sozusagen, immer auf der Seite der Arbeiter. Schon als Volkswirtschaftsstudentin an der Uni Wien war sie in der Partei. Von 1970 an engagierte sie sich in der Sozialistischen Jugend, bevor sie von 1974 an im Verband Sozialistischer Studenten aktiv war. 1992 dann die Kür: SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky machte sie zur Staatssekretärin im Kanzleramt, wo sie massiv für den EU-Beitritt warb.

Dann kam das Jahr 2000, und die "rote Gitti" wechselte auf die Seite des Kapitals. Ederer ging zu Siemens Österreich und schaffte es bis ganz nach oben: Von 2010 bis 2013 war sie Mitglied des Siemens-Konzernvorstands in München - zuständig für Personal und damit für damals mehr als 400 000 Mitarbeiter. Von der linken Sozialdemokratin zu Siemens zu einem sehr speziellen Job: Jetzt soll sie aufpassen, dass die Osram-Übernahme durch das kleinere Unternehmen aus der Steiermark so etwas wird wie eine "Fusion unter Gleichen" .

Das wird auch nötig sein, denn vor allem die Arbeitnehmerseite von Osram fürchtet im Zuge des Milliardendeals einen brutalen Kahlschlag bei den Mitarbeitern. Die Verpflichtung der resoluten Managerin hatte wohl nicht zufällig das Osram-Management ins Spiel gebracht, AMS-Chef Alexander Everke soll schnell einverstanden gewesen sein. Hier die gewisse Nähe zu den Arbeitnehmern, da die handfeste Industrieerfahrung - mit diesem sehr speziellen Mix sollten nicht nur die Osram-Arbeitnehmervertreter, sondern auch die Manager auf allen Seiten überzeugt werden. Denn die Lage ist heikel: Schon seit Monaten ringen beide Seiten, derzeit läuft ein zweites Übernahmeangebot von AMS, das gute Aussichten auf Erfolg hat. Der Osram-Vorstand unter Olaf Berlien, anfangs noch in der offenen Opposition, ist inzwischen auf AMS-Kurs eingeschwenkt. Problem: Die Osram-Mitarbeiter sind weiter strikt dagegen. Erst Anfang der Woche haben Hunderte in München demonstriert. AMS muss Milliarden aufnehmen für den Deal. Das könnte, so die IG Metall, am Ende vor allem Osram zu spüren bekommen.

Ederer gilt als durchsetzungsstark und zupackend, und sie ist Probleme gewöhnt. Bei Siemens musste sie Kostensenkungsprogramme umsetzen und die Ausgliederung ganzer Bereiche mit vielen Tausend Mitarbeitern organisieren. Auch bei Osram kennt sie sich aus, denn bis 2013 war die Münchner Traditionsfirma Teil von Siemens. Ederer verließ den Siemens-Vorstand, als Konzernchef Joe Kaeser ihren Landsmann Peter Löscher an der Spitze in München ablöste, was wiederum für Krach mit dem Betriebsrat sorgte.

Ihre Karriere hat sie sich hart erarbeitet: Ederer wuchs im Wiener Arbeiterstadtteil Floridsdorf auf, war oft auf dem Hof ihrer Großeltern. Ihre Mutter brachte die Familie nach der Trennung von ihrem Mann alleine durch. Zuletzt warf Ederer der deutschen Wirtschaft Behäbigkeit vor. "Ich glaube schon, dass ich einiges bewegt habe", sagte sie mal rückblickend. "Aber ich musste auch feststellen, dass der Spielraum, den man hat, viel kleiner ist, als die Leute glauben." Jetzt kann sie noch einmal etwas bewegen.

© SZ vom 22.11.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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