Nahaufnahme:Der Tester

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Wie ein Arzt aus Rostock die Corona-Pandemie bekämpfen will. Arndt Rolfs will die Testkapazitäten auf eine Million täglich bringen.

Von Elisabeth Dostert

Wenn Arndt Rolfs, 60, ein Ziel hat, lässt er nicht mehr locker. Er ist ein selbstbewusster, ungeduldiger Mann. Gern benutzt er die Worte "müssen" und "wollen". Jetzt in der Corona-Pandemie läuft der Arzt und Unternehmer aus Rostock zur Höchstform auf. "Wir müssen die Infektionsketten am Anfang unterbrechen, nicht erst wenn einer mit Symptomen ins Krankenhaus kommt und bis dahin vielleicht schon drei Dutzend andere Menschen angesteckt hat", sagte Rolfs Anfang April der Süddeutschen Zeitung. Dazu brauche es viel mehr Tests. Der Mann wirkt so, als sei ihm keine Vorgabe zu klein, ja als wachse er mit den Zielen. Vieles geht Rolfs viel zu langsam.

Im Kampf gegen das Virus fand Rolfs Verbündete. Gemeinsam mit Familienunternehmern wie Patrick Adenauer und Lutz Goebel startete Rolfs Anfang April die "Mittelstandsinitiative Covid-19". Rolfs und seine Mitstreiter schalteten in Tageszeitungen eine ganzseitige Anzeige. Die las sich wie ein Bestellschein, fast wie ein Befehl: Nun macht doch endlich, wir schaffen das! Deutschland brauche jetzt dringend Atemmasken, Beatmungsgeräte, Rachenabstrichspatel und Schutzmasken, hieß es in der Anzeige. Das Ziel der Initiative: Sie will die Kapazität für Tests auf das Coronavirus von derzeit geschätzt 35 000 auf eine Million täglich steigern. Das Ergebnis klingt nicht schlecht: Mehr als 500 mittelständische Unternehmen meldeten sich, teilten die Initiatoren am Dienstag mit. Vom Andrang seien sie selbst überrascht. Natürlich geht es den Initiatoren nicht nur um die Gesundheit der Menschen, sondern auch um wirtschaftliche Interessen, sie sind schließlich Unternehmer. Die weltweite Arbeitsleistung, so mahnen sie unter Verweis auf die Internationale Arbeitsorganisation ILO werde im zweiten Quartal um sieben Prozent sinken. Das entspräche dem Verlust von 195 Millionen Arbeitsplätzen, eine alarmierende Zahl. Zur "Eindämmung der Epidemie", sagt Mediziner Rolfs, seien "präventiv und breit angelegte Sars-CoV-2-Tests ein zentrales Element". Der Mann weiß, wie Labore arbeiten. Rolfs ist Gründer und Vorstandschef der Rostocker Biotechnologiefirma Centogene. Sie ist spezialisiert auf die genetische Diagnose seltener Erbkrankheiten. Ziemlich ähnlich funktioniert der Corona-Test. Er sucht genetische Sequenzen des Sars-CoV-2 in Proben aus Nase und Rachenraum. Rolfs arbeitete selbst lange als Neurologe an der Uni-Klinik in Rostock, bevor er die Firma 2006 gründete. Seit 2019 ist sie an der US-Technologiebörse Nasdaq notiert. Doch der Start im November verlief holprig. Der Aktienkurs rutschte prompt unter den Ausgabepreis von 14 Dollar. Als Centogene Mitte März bekannt gab, dass man in die Corona-Tests einsteigen werde, näherte sich die Notierung kurz der Marke von 24 Dollar. Mittlerweile steht das Centogene-Papier bei rund 16 Dollar. Die Berliner Zeitung feierte den Börsengang als "ostdeutsche Erfolgsgeschichte" und musste sich danach den Vorwurf gefallen lassen, dass Verleger Holger Friedrich nicht offengelegt hatte, dass er auch Aktionär bei Centogene ist, er hielt damals gut drei Prozent und saß im Aufsichtsrat. Friedrich, so berichtete die Berliner Zeitung, habe die Chefredaktion auf Centogene hingewiesen. Ein paar Monate ließ Friedrich sein Kontrollamt dann ruhen. Am Donnerstag will Centogene neue Geschäftszahlen veröffentlichen. 2018 setzte die Firma laut Börsenprospekt gut 40 Millionen Euro um und machte operativ 10,6 Millionen Euro Verlust. Erfolge kann Rolfs also gebrauchen. Über die von ihm initiierte Mittelstandsinitiative haben sich schon Firmen gefunden: Sie heißen SWK Innovations, Rowe Med und HA2 Medizintechnik. Sie sind in die Produktion von Rachenabstrichspateln eingestiegen - immerhin pro Tag 45 000 Stück.

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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