Nahaufnahme:Der Rekordjäger

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Stephan Sturm: „Vertrauen ist eine Serie von gehaltenen Versprechen.“ (Foto: oh)

Fresenius-Vorstandschef Stephan Sturm liebt Rekorde. Das wird 2019 nicht leicht. Schon 2018 gab es ein paar Rückschläge: Zwei Mal wurde die Prognose korrigiert.

Von Elisabeth Dostert

In der Nacht zum Mittwoch hat Fresenius-Chef Stephan Sturm, 55, nur ein paar Stunden geschlafen. Noch weit nach Mitternacht hat er Mails an Mitarbeiter verschickt "Vor wichtigen Ereignissen habe ich immer Lampenfieber. Das ist gesund", sagt Sturm. Es zeige, wie sehr ihm an dem Konzern gelegen sei, auch nach so vielen Jahren. Seit Anfang 2005 arbeitet der ehemalige Investmentbanker für den Medizintechnik-Konzern, lange als Finanzvorstand. 2016 übernahm er die Hauptrolle.

Für einen Vorstandsvorsitzenden ist eine Bilanzpressekonferenz ein wichtiges Ereignis. Er muss das Geschäftsjahr erklären. Für Fresenius war 2018 nach der eigenen Lesart wieder ein Rekordjahr, das 15. in Folge. Sturm liebt Rekorde, er jagt sie leidenschaftlich. Der Umsatz sank zwar laut Gewinn- und Verlustrechnung um ein Prozent auf 33,5 Milliarden Euro, aber auf vergleichbarer Basis stieg er um zwei Prozent. Das Konzernergebnis legte um zwölf Prozent auf gut zwei Milliarden Euro zu. Allerdings musste der Konzern zwei Mal seine Prognose korrigieren. Der Aktienkurs brach ein. Über Jahre aufgebautes Vertrauen sei in kurzer Zeit verloren gegangen, sagt Sturm: "Vertrauen ist eine Serie von gehaltenen Versprechen." Prognosen von Firmen sind Versprechen an die Aktionäre. Sturm hielt nicht Wort.

Das Jahr 2018 lief nicht so rund, wie es Sturm gewohnt ist. Jetzt sitzt er im Forum am Firmensitz in Bad Homburg und liefert Erklärungen. Er hält die Hände nicht still. Er dreht am Ehering, schiebt ihn hin und zurück über den Fingerknöchel. Er rückt die Armbanduhr zurecht. Er stützt das Kinn in die Hände.

Das "Kapitel Akorn" hätte er gern übersprungen, sagt Sturm. Die Übernahme des US-Herstellers von Cremes und Salben für 4,4 Milliarden Dollar ging gründlich schief. Nach anonymen Hinweisen, dass Akorn der US-Arzneimittelbehörde FDA falsche Angaben gemacht habe, ließ Fresenius die Übernahme platzen. Akorn wehrte sich. Im Herbst entschied ein US-Gericht, dass die Rückabwicklung rechtens ist. Sturm reiste zu jeder mündlichen Verhandlung in die USA, stellte sich den Fragen der Anwälte. "Ich habe es nicht darauf angelegt, Rechtsgeschichte zu schreiben. Es ergab sich so", sagt Sturm am Mittwoch. Der Prozess habe sein müssen, "weil uns Unrecht widerfahren ist": Einen hohen zweistelligen Millionenbetrag habe der Streit gekostet. Aber so einen Betrug lässt sich einer wie Sturm nicht gefallen. "Wenn wir uns in eine Sache verbeißen, lassen wir nicht locker, bis das Thema gelöst ist."

Fresenius selbst bezeichnet sich als Gesundheitskonzern. Die meisten Menschen nehmen die Produkte und die unter der Marke Helios geführten Klinken des Konzerns in Anspruch, wenn sie krank sind, Nachwuchs erwarten oder Pflege brauchen. Weltweit beschäftigt die Gruppe fast 277 000 Mitarbeiter. In den Krankenhäusern in Deutschland sanken die Belegzahlen, Ärzte kündigten, weil Häuser oder Abteilungen geschlossen wurden. Eine Zahl, wie viele Stellen derzeit nicht besetzt seien, kann Sturm nicht nennen. "Daran sehen Sie, wir haben keinen Notstand." Es gibt auch gute Nachrichten. Die Kliniken in Spanien laufen gut. In der Nacht zum Mittwoch gab die US-Kartellbehörde die Übernahme des Dialysespezialisten Nx Stage für rund zwei Milliarden Dollar frei.

Sturm jagt neue Rekorde, auch wenn das Jahr 2019 nicht einfach wird. Der Umsatz soll um drei bis sechs Prozent wachsen. Sturm hofft, dass die Veränderungsrate beim Konzerngewinn ein positives Vorzeichen hat. Die Dividende für 2019 soll wieder steigen, so wie in den 26 Jahren zuvor. Sturm will viel investieren, weiter wachsen. "Größe macht Qualität, und Qualität treibt Profitabilität." Das klingt wie ein Versprechen.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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