Nahaufnahme:Der Kampf seines Lebens

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Bernard Tapie: „Was habe ich nur getan, um das zu verdienen? Bin ich denn ein Mörder?“ (Foto: Philippe Wojazer/Reuters)

Bernard Tapie besaß einst den Sportartikelhersteller Adidas - nun droht ihm in diesem Zusammenhang Haft.

Von Leo Klimm

Bernard Tapie hat Magenkrebs. Ganz Frankreich weiß Bescheid, er hat es selbst öffentlich gemacht. Doch Tapie sagt, nicht die Abwehr der Krankheit sei der Kampf seines Lebens. Sondern der Streit, wegen dem er seit Montag in Paris vor Gericht steht. Während der drei Wochen dauernden Verhandlung setzt er die Chemotherapie aus und alle Schmerzmittel ab. Er wolle ganz klar im Kopf sein, sagt Tapie.

Es geht in dem Verfahren um die Kultmarke Adidas, die ihm einmal gehörte - und um 404 Millionen Euro, die er laut Anklage durch "Finanzbetrug und Veruntreuung öffentlicher Gelder" aus der französischen Staatskasse ergaunert haben soll. Tapie, 76, liebt das Spektakel. Der Prozess verspricht, eines zu werden.

Der Kampf seines Lebens. Das will etwas heißen. Denn das ewige Enfant terrible der französischen Geschäftswelt hat viel erlebt: Aus ärmlichen Verhältnissen stammend, versuchte er sich erst als Sänger und als Rennfahrer, bis er nach einem Unfall mehrere Tage im Koma lag. In den Achtzigerjahren brachte er es dann zum erfolgreichen Firmenhändler. Später machte ihn der damalige Präsident François Mitterrand zum Minister. Weil er als Chef des Fußballclubs Olympique Marseille gegnerische Spieler bestach, musste er in den Neunzigern hinter Gitter. Auch das Unternehmerglück verließ ihn. Tapie stürzte in die Pleite - so tief, dass ihm eines nachts die Möbel weggepfändet wurden. Doch am Dramatischsten sei für ihn die Sache mit Adidas, sagt er. Der Mann mit der ausladenden Haartolle behauptet: "In dieser Geschichte war ich immer nur das Opfer."

Es ist eine verworrene, intrigenreiche und damit irgendwie sehr französische Geschichte. Ihre Kurzfassung geht so: 1990 kaufte Tapie den damals verlustreichen deutschen Sportartikelhersteller mit Geld, das er sich bei der Staatsbank Crédit Lyonnais lieh. 1993 verkaufte das Institut in seinem Auftrag Adidas weiter. Tapie aber fühlte sich bei dem Geschäft von der Bank getäuscht und geprellt, weshalb er vom Staat eine Entschädigung verlangte. Die wurde ihm viele Jahre später, 2008, tatsächlich zugesprochen - von einem privaten Schiedsgericht, das beide Seiten berufen hatten. Doch das Schiedsverfahren, so die Anklage heute, soll nur eine Maskerade gewesen sein. Tapie habe es dank exzellenter Kontakte in die Politik erwirkt. Es sei allein darauf ausgelegt gewesen, dem berühmten Pleitier Millionen zuzuschanzen.

Tapie empört sich gern und in der ihm eigenen, drastischen Sprache über diese Vorwürfe. "Verdammte Scheiße, was habe ich nur getan, um das zu verdienen? Bin ich denn ein Mörder?", poltert er. Neben ihm sind fünf weitere Männer angeklagt. Auch eine prominente Zeugin ist geladen: Christine Lagarde, die Chefin des Internationalen Währungsfonds. Sie wurde in einem getrennten Prozess zur Adidas-Affäre bereits der Fahrlässigkeit schuldig befunden, weil sie einst als französische Finanzministerin die Entschädigung für Tapie abnickte.

Das Geld soll der Unternehmer dem Staat erstatten, das haben Zivilgerichte der ordentlichen Justiz bereits entschieden. Inklusive Zinsen schuldet er dem Staat nunmehr 525 Millionen Euro. "Was jetzt zählt, ist doch nicht mehr das Geld", tönt Tapie, "sondern der durchschlagende Beweis, dass nicht ich der Betrüger bin." Die Summe, die von ihm gefordert wird, dürfte er ohnehin kaum aufbringen können.

In dem Strafprozess, der jetzt anläuft, droht ihm eine Verurteilung zu bis zu sieben Jahren Haft. Tapie aber rechnet fest damit, dass er im Kampf seines Lebens siegt und ihm eine Rückkehr ins Gefängnis erspart bleibt. Jedenfalls hat er für den Sommer ein Filmprojekt - Tapie betätigt sich seit einigen Jahren als Schauspieler. Eine Kapitulation vor dem Krebs ist offensichtlich auch nicht geplant.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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