Globale Probleme:Das kostet die Welt

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"Wer 169 Ziele hat, der hat eigentlich gar keines." Bjørn Lomborg (Foto: Robert Haas)
  • Die Vereinten Nationen wollen in den kommenden 15 Jahren 169 Ziele erreichen. Der dänische Politikwissenschaftler Bjørn Lomborg kritisiert diesen Ansatz: "Wer 169 Ziele hat, der hat eigentlich gar keines."
  • Lomborgs Arugmentation folgt den Gesetzen der Ökonomie. Sein Think-Tank erstellt Kosten-Nutzen-Analysen zu globalen Problemen.

Porträt von Pia Ratzesberger

Bjørn Lomborg verspricht viel. Nichts Geringeres als die besten Lösungen für die drängendsten Probleme der Welt: Armut, Hunger, Luftverschmutzung - die Liste ist lang. Und genau das ist Lomborgs Problem. Der dänische Politikwissenschaftler leitet den Thinktank Copenhagen Consensus Center und greift in der neuesten Studie die Zukunftsziele der United Nations (UN) an. Zur Jahrtausendwende hatte sich die UN unter anderem vorgenommen, die weltweite Armut zu halbieren sowie den HI-Virus einzudämmen. Im Herbst dieses Jahres werden die Vereinten Nationen in New York nun neue Ziele für die kommenden 15 Jahre festlegen. Weil Kritiker beim früheren Programm bemängelten, dass viele Punkte fehlten, will man diesmal alles richtig machen - und hat vorsichtshalber gleich 17 Kategorien mit insgesamt 169 Zielen auf den Plan gesetzt. "Wer 169 Ziele hat, der hat eigentlich gar keines", sagt der 50-jährige Lomborg trocken. "Oder was erreichen Sie, wenn Sie sich zu Neujahr Dutzende Dinge vornehmen? Vermutlich nichts von alledem."

Wenn Lomborg spricht, meint man, er würde die UN geradezu für ihre vermeintliche Naivität belächeln. Kontroversen hat der Wissenschaftler, den das Time Magazine einmal zu den weltweit 100 einflussreichsten Personen der Welt zählte, schließlich schon immer geliebt: In den vergangenen Jahren zog er den Zorn vieler Umweltschützer auf sich, weil er den Klimawandel so ganz anders interpretierte als sie. Die Titel mancher seiner Bücher, "Apocalypse No!" oder "Cool it", lassen erahnen wie. Lomborg leugnete die Erderwärmung zwar nicht, bezeichnete deren Folgen aber als überdramatisiert und die meisten Gegenmaßnahmen als ineffizient. Die Kosten seien hier oftmals größer als der Nutzen - in Lomborgs Welt herrschen die Gesetze der Ökonomie.

19 statt der 169 Ziele der UN

Seine Überzeugung ist, dass viele seiner Kritiker ein grundlegendes Prinzip nicht verstanden haben: das der Knappheit. Schon während eines Auftritts bei der Internet-Vortragsreihe TedTalks im Jahr 2005 leitete der Wissenschaftler seine Zuhörer an, Stift und Papier zur Hand zu nehmen. Sie sollten notieren, wofür sie als erstes 50 Milliarden Dollar ausgeben würden. Um Aids zu bekämpfen oder die Erderwärmung? Um Analphabetismus zu minimieren oder Hungersnöte? Man könne argumentieren, man solle die jeweiligen Experten in ihrem Fach fragen, sagte Lomborg damals. Doch deren Antwort sei natürlich vorhersehbar. Nein, für genau solch unangenehme Entscheidungen gebe es doch die Ökonomen. Denn deren Aufgabe sei es nun einmal zu priorisieren. Herauszufinden, welcher Ansatz das beste Ergebnis bringe und deshalb als Erstes verwirklicht werden müsse. Alles gleichzeitig, das ginge eben nicht.

Lomborg trägt in dem Video Jeans und Poloshirt, wie bei den meisten seiner Auftritte. Er wirkt eher wie ein Unternehmer als ein Professor - und das wohl auch mit Absicht. In seinem Thinktank hat der Politikwissenschaftler vor allem Ökonomen um sich versammelt, diese fertigen Kosten-Nutzen-Analysen zu globalen Problemen an. Bei den UN-Entwicklungszielen schlagen sie jetzt gerade einmal 19 statt der 169 Ziele vor: zum Beispiel die Zahl der Malaria-Infektionen zu halbieren, die Impfrate bei Kindern zu steigern oder Handelsbeschränkungen zu minimieren. Konzentriere man sich allein auf diese 19 Ziele, könne man dem Copenhagen Consensus Center zufolge pro investiertem Dollar am Ende das Zwei- bis Vierfache verdienen: "Wenn Sie ins Restaurant gehen, wollen Sie doch auch wissen, was die Pizza auf der Karte kostet. Die Vereinten Nationen aber wissen das bisher nicht", sagt Lomborg. Er hätte das Menü für die Welt nun lediglich mit Preisen versehen. Das nämlich sei sehr viel effizienter.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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