Nahaufnahme:Brexit-Fan im Finanzlager

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"Ich bewundere und liebe so vieles an Europa und spreche mehrere europäische Sprachen." Simon Brewer (Foto: Privat)

Viele von Londons Bankern fürchten den Austritt. Nicht so Simon Brewer. Der Fondshaus-Chef will sogar davon profitieren.

Das Fenster ist offen in Simon Brewers Büro, aber trotzdem kommt kein Lärm von der Straße herein. Der 52-Jährige leitet als Vorstandschef das Fondshaus Vantage, und Vantage residiert wie so viele Investment-Fonds und Beteiligungsgesellschaften nicht im hektischen Londoner Bankenviertel, sondern im ebenso vornehmen wie teuren Stadtteil Mayfair, in einer ruhigen Nebenstraße. Genauso ruhig erläutert Brewer nun, wieso der Austritt Großbritanniens aus der EU eine gute Sache ist. Vor der Volksabstimmung warben die Banken, Versicherer und Lobbyverbände in London, Europas größtem Finanzplatz, vehement für den Verbleib in der EU. Doch selbst in dieser sehr internationalen Branche gibt es eine Minderheit an Managern, die den Brexit unterstützen. Manager wie Brewer.

Ihm ist es wichtig, dass er bei dem Referendum lediglich gegen die EU, nicht aber gegen Europa gestimmt habe: "Ich bewundere und liebe so vieles an Europa und spreche mehrere europäische Sprachen", sagt der Brite, der 2006 zu Vantage wechselte, nach 17 Jahren bei der amerikanischen Bank Morgan Stanley. Die Europäische Union entwickele sich in Richtung eines Bundesstaats, Brüssel regiere zunehmend autoritär in die Belange der Mitgliedsländer hinein, klagt er. Hauptgrund für seine Wahlentscheidung sei daher das "Demokratiedefizit der EU" gewesen.

Banken, Versicherer und Fondshäuser in London befürchten, nach dem Brexit nicht mehr so einfach mit Kunden auf dem Festland Geschäfte machen zu können. Finanzfirmen, die in einem EU-Land eine Zulassung haben, dürfen in jedem anderen tätig sein, ohne dass sie bei jeder einzelnen nationalen Aufsicht noch eine Lizenz beantragen müssen. Nach dem Austritt könnte diese bequeme Regelung für die Londoner Konzerne wegfallen, je nachdem, worauf sich die britische Regierung und Brüssel in ihren jahrelangen Scheidungsverhandlungen einigen. Dann müssten die Geldhäuser Lizenzen in EU-Staaten einholen und dorthin Jobs verlagern.

Brexit-Freund Brewer bereitet das allerdings keine Sorgen. Seine Firma Vantage ist ein kleiner Anbieter, der in zwei Fonds insgesamt etwas unter 300 Millionen Dollar verwaltet. Mindestanlagesumme sind 100 000 Dollar, Kunden sind überwiegend reiche Familien. Die zwei Fonds sind nicht in London, Dublin oder Luxemburg angemeldet, sondern auf den Kaimaninseln. Dieses britische Überseegebiet in der Karibik ist eine Steueroase und nicht in der EU. Damit profitieren die Fonds ohnehin nicht von den Brüsseler Regeln, die das Verkaufen über Grenzen hinweg vereinfachen.

Der Engländer hält es für gut möglich, dass wegen der Ungewissheit über die zukünftigen Bedingungen Finanzkonzerne Stellen ins Ausland verlagern. "Doch das wird nicht das Ende bedeuten von Londons Vorherrschaft bei Finanzdienstleistungen auf dem Kontinent", sagt er. Frankfurt und Paris hoffen darauf, dank des Brexit Jobs aus London zu gewinnen. Brewer bezweifelt aber, dass die Städte der britischen Kapitale wirklich Konkurrenz machen können: "Frankreichs Präsident Hollande sagte in seiner Wahlkampagne, die Finanzbranche sei sein Feind. Wird er nun tatsächlich den roten Teppich ausrollen?"

Die Ungewissheit nach dem Referendum könnte der Wirtschaft schaden, weil Firmen Investitionen verschieben, sagt der Ökonom, der in London und Frankreich studiert hat. "Doch Großbritannien wird mit diesen Turbulenzen klarkommen." Zudem schreibe die EU auch keine "echte wirtschaftliche Erfolgsstory". Der Fondsmanager gewinnt sogar dem Absturz der Aktienkurse nach der Volksabstimmung etwas Positives ab: "Ergeben sich dadurch Möglichkeiten, Anteile an guten Firmen billiger zu kaufen, sind wir glücklich." Schön für ihn.

© SZ vom 25.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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