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„Wir werden mit Wirecard in ganz andere Dimensionen vordringen“, sagt Markus Braun. (Foto: Florian Peljak)

Der Österreicher Markus Braun hat Wirecard in den Dax geführt. Der Schritt wird nicht nur sein Unternehmen verändern, sondern auch ihn selbst.

Von Nils Wischmeyer

Markus Braun, das sagt er dieser Tage immer wieder, wolle sich ändern, er müsse sogar. Nicht, weil er mit großen Fehltritten oder Eskapaden aufgefallen wäre. Nein, im Gegenteil: Er ist gar nicht aufgefallen. Der Chef des Zahlungsabwicklers Wirecard meidet bislang die Öffentlichkeit. Interviews gab er kaum, noch mehr verachtet der 49-Jährige Fototermine. Aber genau das muss er ändern.

Der so öffentlichkeitsscheue Opernfan ist mit Wirecard an der Börse an der Deutschen Bank vorbeigezogen und hat die Commerzbank aus dem Dax geschmissen. Von diesem Montag an wird Wirecard erstmals im Index gelistet, als eines von Deutschlands 30 wertvollsten Unternehmen, jetzt wollen alle ihn sprechen. Verstecken, das geht jetzt nicht mehr, zumal Wirecard fast eine One-Man-Show ist. Braun ist Vorstandsvorsitzender, Technikvorstand und größter Anteilseigner, ihm gehören Aktien im Wert von rund 1,6 Milliarden Euro. Ohne ihn läuft nichts, noch immer ist er in viele Projekte eingebunden, arbeitet gar in der Produktentwicklung mit.

Der Österreicher hat den Zahlungsdienstleister Wirecard in nur 16 Jahren von einem Pleiteunternehmen mit dreißig Mitarbeitern zu einem Milliardenkonzern mit 5000 Mitarbeitern gemacht. Wirecard ist als Zahlungsabwickler tätig, zwischen Händler und Kreditkarteninstitut. Wenn der Kunde online eine Hose kauft, überweist Wirecard das Geld sofort an den Händler und trägt das Risiko, falls die Kreditkarte nicht gedeckt ist. Dafür zahlen große Firmen dem Aschheimer Unternehmen eine Provision. Lange verdiente die Firma nur wenig Geld. Doch Braun blieb dabei, wartete auf den Durchbruch - und seit der Internethandel boomt, boomt sein Geschäft. Dabei sind erst 15 Prozent des Handels bargeldlos. "Das Marktpotenzial einer bargeldlosen Gesellschaft ist gigantisch. Da wollen wir hin", sagt Braun.

Seine Eltern waren Lehrer, und er war schon immer einer, der vorausdenkt. Als einer der Ersten studierte er in Wien Wirtschaftsinformatik, weil er an das Internet als Markt glaubt. Nebenbei spielte er Handball und promovierte mit einem äußerst komplizierten IT-Thema, das aber heute veraltet ist. Der Mann fürs Feierabendbier war er nie, sagt er. Er hat gearbeitet.

Seinen ersten Job ergattert er bei einer Unternehmensberatung, wechselt dann zu KPMG und kommt erstmals in Kontakt mit Wirecard. Das Unternehmen steht damals am Abgrund, Braun kommt und bringt es wieder auf Kurs. Daraufhin bietet der damalige Aufsichtsrat ihm den Chefposten bei Wirecard an. Braun, so sagt er, überlegt keine Sekunde und nimmt an. Schon immer sei es sein Traum gewesen, ein eigenes Unternehmen zu führen.

Die ersten Jahre sind hart. Er arbeitet bis zur physischen Erschöpfung, sieben Tage die Woche, 16 Stunden am Tag. Die ersten Kunden kommen aus dem Zwielicht, der Pornoindustrie und von Online-Kasinos. Heute spielen sie nur noch eine Nebenrolle, doch dieses Image wurde die Firma nie wirklich los. Ihre Bilanz gilt bis heute als Rätsel mit sieben Siegeln, und auch in den Panama Papers taucht sie auf. Braun aber streitet alles ab. Seine Firma, so versichert er, sei sauber.

2005 geht Braun mit der Firma an die Börse, 13 Jahre später zieht er nun in den Dax ein. Ob er denn immerhin stolz sei? Nein, sagt er. Das klinge so nach Abschlussvokabel, und am Ende sei er noch lange nicht. Der Dax-Aufstieg ist für ihn nur ein Zwischenschritt: "Wir werden mit Wirecard in ganz andere Dimensionen vordringen", sagt Braun. Ehrgeizig ist er zweifelsohne.

© SZ vom 24.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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