Nahaufnahme:Auf Nummer sicher

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"Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit." Abdellatif Hammam (Foto: Christian Stelling)

Abdellatif Hammam ist Generaldirektor des Fremdenverkehrsamtes von Tunesien - und hat eine Strategie, wie wieder mehr Touristen ins Land kommen.

Von Michael Kuntz

Es gibt herausfordernde berufliche Aufgaben, die sind machbar. Und es gibt welche, die sind selbst bei größtem Einsatz unmöglich zu erfüllen. So einen Job hat derzeit Abdellatif Hammam, 55. Als Generaldirektor des nationalen Fremdenverkehrsamtes von Tunesien ist es sein Job, Menschen dazu zu bewegen, ihren Urlaub in dem nordafrikanischen Land zu verbringen - nach den tödlichen Anschlägen vor dem Nationalmuseum in Tunis und am Hotelstrand in Sousse vor wenigen Monaten.

Polnische Geschäftsfreunde hatten ihm geraten, sich nach diesen schrecklichen Ereignissen erst einmal eine Zeit lang still zu verhalten, erzählt Hammam. Doch das ist nicht die Art des studierten Mathematikers und Nationalökonomen. Er war für sein Land schon mehrfach in heiklen Missionen unterwegs - als Regierungsbeauftragter des Premierministers, Vorstand der Exportförderung und Generaldirektor für Reformen und Verwaltungsanalysen. Jetzt reist er durch Europa, um den Kontakt zu jenen nicht abreißen zu lassen, die wieder Touristen nach Tunesien bringen könnten.

Als die Reiseindustrie sich in dieser Woche beim Kongress ihrer führenden Fachzeitschrift FVW in Essen traf, war Hammam vor Ort. Tunesien war Partnerland. Die dortige Reiseindustrie trägt sieben Prozent zur Wirtschaftsleistung des Landes bei und beschäftigt 400 000 Menschen. Die Reiseindustrie begann sich gerade wieder von dem wirtschaftlichen Einbruch nach dem Arabischen Frühlings zu erholen, als die beiden Anschläge diese Entwicklung stoppten. Immerhin kamen seit der Schießerei von Sousse bis jetzt noch 40 000 deutsche Touristen nach Tunesien, berichtet Hammam. Das waren allerdings 40 Prozent weniger als vor einem Jahr. Aus Großbritannien, dem Land mit den meisten Opfern bei den Anschlägen, kommen 80 Prozent weniger als früher. Auch in Frankreich seien die Vorbehalte gegen einen Tunesien-Urlaub groß. "Das ist die Wirklichkeit", sagt Hammam und gibt sich dennoch zuversichtlich. "Wir hoffen auf die Rückkehr von Tunesien als ein angenehmes Reiseziel in einigen Monaten."

Abdellatif Hammam betont, dass terroristische Anschläge kein spezifisches Problem seines Landes seien, sondern eine internationale Gefahr, der nur durch eine Zusammenarbeit von Staaten zu begegnen sei. Aber auch durch ein nationales Sicherheitskonzept, seit Sousse sind die Sicherheitsprozeduren verschärft. Das fordern auch deutsche Reiseveranstalter und schicken gegenwärtig Fachleute ins Land, die unerkannt nachschauen sollen, was getan wird. "Manches ist zu sehen, manches nicht", sagt Hammam. Tunesien setzt auf tausend zusätzliche bewaffnete Sicherheitsleute und moderne Überwachungstechnik. Die Regierung, aber auch die Hotelketten überprüfen die Einhaltung internationaler Sicherheitsstandards. Offizielle Kontrolleure können veranlassen, dass Hotels geschlossen werden, wenn sie nicht genügend gesichert sind.

Der Aufwand soll künftig sichtbarer werden. Denn Sicherheit schafft erst Vertrauen, wenn sie erlebbar ist, das weiß auch Hammam. Tunesien braucht eine spezielle Marke für Sicherheit, sagt der Generaldirektor. Er denke an Tafeln auf Flughäfen, Bahnhöfen oder Fährstationen, auf denen sich eine aktuelle Risikostufe ablesen lässt - wie in den USA. "Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit" sei das Wichtigste, sagt Hammam. Es ist die wichtigste aller Maßnahmen, aber nicht der einzige Ansatz. Tunesien gibt für die Tourismusförderung nun auch mehr Geld aus. Der Staat hat die Ausreisesteuer für ausländische Touristen vorübergehend abgeschafft und subventioniert leere Sitze in Flugzeugen. Damit nicht noch mehr Ferienflüge abgesagt werden.

© SZ vom 17.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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