Nahaufnahme:Abgekühlt

Lesezeit: 2 min

"Wir sind die Ersten, die Kühlgeräte anbieten, die dauerhaft magnetisch kühlen", sagt Alexander Regnat, Geschäftsführer und einer der Gründer von Kiutra. (Foto: Catherina Hess)

Der Physiker Alexander Regnat will Kommunikation mit neuen Technologien abhörsicher machen.

Von Jasmin Siebert

Vier Physiker gründen ein Start-up, geben ihm den kryptischen Namen Kiutra, bieten ein Produkt an, das nur Fachleute verstehen - und lassen dann doch aufhorchen. Sie wollen die Kommunikation abhörsicher machen. Bei einer Veranstaltung der TU München erklärt Alexander Regnat, Geschäftsführer des im Juli 2018 gegründeten Start-ups, das Geschäftsmodell so: Extrem tiefe Temperaturen lassen sich bisher dauerhaft nur mit flüssigen Gasen wie dem teuren Helium-3 erzeugen. Das kommt in der Natur kaum vor, entsteht aber als Abfallprodukt aus einer Kernzerfallsreaktion. Verkauft wird es nur von den USA und Russland.

"Wir von Kiutra glauben, dass es Zeit wird für eine Alternative", sagt Regnat. Die magnetische Kühlung, die sein Start-up anbietet, braucht nur Feststoffe aus günstigen, einfachen Chemikalien. Es geht um extrem tiefe Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt, der bei 273 Grad minus liegt. Vor ihm sitzt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der sich die Erfolgsgeschichten junger Tech-Start-ups anhört, die sein Ministerium finanziell unterstützt. Regnat lobt: "Ohne Ihr Exist-Stipendium gäbe es Kiutra nicht."

Der 34-jährige Physiker sah seine berufliche Zukunft eigentlich eher an der Uni. Für seine Doktorarbeit untersuchte er das Verhalten von Metallen bei sehr tiefen Temperaturen. Seine Messungen hatte Regnat schon vor Jahren abgeschlossen, doch bis er Zeit zum Aufschreiben der Ergebnisse fand, dauerte es. Denn Regnat heiratete nicht nur und wurde Vater, sondern entwickelte auch noch ein marktreifes Produkt.

Erfunden hat Regnat die dauerhafte magnetische Kühlung nicht, sie wird bereits in der Raumfahrt genutzt. Doch Kiutra ist nach seinen Angaben die erste und bisher einzige Firma weltweit, die einen auf dieser Technik basierenden, bezahlbaren Kühlautomaten für den Einsatz auf der Erde anbietet. Ein Prototyp wurde inzwischen schon verkauft. Wenn die Bundesförderung im Sommer ausläuft, werden Investoren Geld ins Start-up stecken, auch Geschäftsräume in München sind schon gefunden. Im Mai soll der erste Mitarbeiter eingestellt werden, im Herbst der zweite folgen.

Doch wie funktioniert magnetische Kühlung eigentlich? Einen Hinweis gibt die Bedeutung des Firmennamens: "Kiu" steht für Q, das - englisch ausgesprochene - Formelzeichen für Wärme, daran angehängt "tra" von Latein "trahere" ("ziehen"), weil das Start-up Kühlmaschinen baut, die Wärme entziehen. Dazu wird der magnetokalorische Effekt umgekehrt, also das Phänomen, dass sich die Temperatur eines Materials erhöht, wenn es einem stärkeren Magnetfeld ausgesetzt ist. Um zu kühlen, wird das Kühlmedium entmagnetisiert. Ist der magnetische Effekt jedoch bei null angelangt, stoppt die Kühlung, und das Material wird wieder wärmer. Deswegen ist die klassische magnetische Tiefkühlung nur für kurze Zeit möglich. Bei Kiutras Kühlgeräten dagegen sind mehrere magnetische Kühlstufen miteinander verbunden: Wird die eine gerade magnetisiert und dadurch wärmer, wird die Wärme durch die Entmagnetisierung der anderen kompensiert. Die gewünschte Temperatur des zu kühlenden Objekts kann dabei exakt eingestellt werden.

Man muss eine weitere Gedankenschleife drehen, um zu verstehen, was das alles mit abhörsicheren Netzwerken zu tun hat: Diese lassen sich quantenphysikalisch verwirklichen. Informationen werden dabei, vereinfacht ausgedrückt, über sehr schwache Lichtsignale versendet. Um diese wahrnehmen zu können, braucht es sehr effiziente Detektoren, die wiederum nur bei extrem tiefen Temperaturen funktionieren. "Wir gehen davon aus, dass das in Kürze für europäische Netzwerkbetreiber sehr relevant werden wird", sagt Regnat. "Und wir möchten die Kühlungskomponente für diese neue Hardware bereitstellen."

© SZ vom 15.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: