Nahaufnahme:Abgang eines Kukaners

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„Wir bleiben das Team, wir sind das Team, das Kuka in die Zukunft führt.“ (Foto: dpa)

Vorstandschef Till Reuter steht vor der Abberufung. Der Eigentümer des Roboterherstellers Kuka, Midea, ist wohl unzufrieden.

Von Elisabeth Dostert

Es gab Zeiten, da benutzte Till Reuter, 50, Chef des Roboterherstellers Kuka, das Wort "unabhängig" so oft, dass der häufige Gebrauch schon Misstrauen weckte. "Kuka bleibt unabhängig", sagte Reuter im Sommer 2016, nachdem der chinesische Hausgerätehersteller Midea ein Übernahmeangebot für Kuka gemacht hatte. "Der Vorstand bleibt unabhängig", beteuerte Reuter, als er mit Finanzchef Peter Mohnen die Investorenvereinbarung vorstellte. Es gab eine Garantie für Standorte und Beschäftigte bis 2023 und eine Abschirmvereinbarung, die sicherstellen soll, dass der neue Eigentümer keinen Zugriff auf Kundendaten hat. "Wir bleiben das Team, wir sind das Team, das Kuka in die Zukunft führt", so Reuter. Es klang wie ein Schwur.

Die Zukunft dauerte nicht einmal drei Jahre. Wie es aussieht, wird Reuter sein Wort brechen. Wie das Unternehmen am Wochenende mitteilte, verhandelt er mit Andy Gu, dem Vize-Präsidenten von Midea, der den Aufsichtsrat von Kuka führt, über eine "vorzeitige Beendigung der Vorstandstätigkeit". Dabei war Reuters Vertrag noch im vergangenen Jahr vorzeitig bis Ende März 2022 verlängert worden.

Will Midea den Mann mit dem Drang zur Unabhängigkeit loswerden? Will Reuter nicht mehr, weil er Grenzen gesetzt bekommt nach allem, was er für Kuka geleistet hat? Der ehemalige Investmentbanker übernahm 2009 die Führung und machte aus der angeschlagenen Bude den Star deutscher Robotik. Er sei kein Mann, der sein Wort leichten Herzens breche, sagt eine dem Unternehmen nahestehende Person: "Er hat sich mit der Firma identifiziert." Reuter avancierte zum obersten Kukaner. Er investierte in Augsburg und wollte um Kuka herum ein Roboter-Valley aufbauen. Bei öffentlichen Auftritten posierte er gerne mit ein paar der eigenen Roboter.

"Wir sind sehr stolz, dass Kuka und Midea jetzt eine Familie sind", schwärmte der Midea-Gesandte Gu noch auf der Hauptversammlung 2017. Von der anfänglichen Schwärmerei ist nicht viel übrig. Bei Kuka läuft es schon eine ganze Weile nicht mehr rund. Ende 2017 kündigte Reuter den Abbau von bis zu 250 Stellen in Augsburg an, wegen Schwierigkeiten im Anlagenbau. Ende Oktober 2018 kassierte er die Jahresprognose. Das kann Midea nicht gefallen.

Knapp 95 Prozent hält Midea an Kuka. 115 Euro je Aktie, insgesamt 4,5 Milliarden Euro, zahlte Midea für Kuka. So viel, dass ein Gegenangebot, wie es sich mancher Konzernchef und einige Politiker gewünscht hatten, nicht zustande kam, und die Großaktionäre Loh und Voith ihre Pakete verkauften. Das Angebot aus China hatte eine Debatte über den Ausverkauf deutscher Hochtechnologie ausgelöst, denn Kuka steht wie kaum ein anderes deutsches Unternehmen für Roboter, ohne die digitale Fabriken mit ihrer vernetzen Produktion nicht möglich sind. Politiker wie der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und EU-Kommissar Günther Oettinger sprachen sich gegen einen Verkauf aus. Mittlerweile ist das Außenwirtschaftsgesetz geändert, und es gibt unter Politikern Zweifel, dass ein Verkauf von Kuka in dieser Form heute noch genehmigt würde.

Reuter hat den Verkauf stets verteidigt. Er sei im Interesse der Investoren und Mitarbeiter; China sei ein Wachstumsmarkt. "Wir sind und bleiben ein deutsches Unternehmen", sagt er noch Ende April der Wirtschaftswoche. "Ich habe Interesse an einem starken Deutschland. Wir brauchen Innovation." In dem Interview klingen auch Differenzen mit dem chinesischen Eigentümer an, etwa wenn es um die Margen geht. Midea wächst schneller und hat eine höhere Rendite. "Wir mussten den Chinesen erklären, dass die Benchmark von Kuka eine andere ist als die von Midea." Die Erklärungen Reuters reichen Midea wohl nicht mehr.

© SZ vom 26.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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