Nachhaltigkeit:Ein bisschen grün

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Regionales Produkt nach amerikanischem Vorbild: die „Grizzly Snacks“, die Julius Michel auf der „Food & Life“ präsentiert – ohne großen Aufbau. (Foto: Lukas Barth-Tuttas/GHM)

Ein sorgsamer Umgang mit Ressourcen ist vielen Ausstellern bei Messen wichtig. Auch die Veranstalter legen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit. Doch in der Praxis sind andere Dinge oft wichtiger als ein ökologisch korrekter Stand.

Von Johanna Pfund

Aufwendige Aufbauten hat sich Julius Michel gespart. Der Geschäftsführer von "Grizzly Snacks" aus Mannheim präsentiert bei der Messe Food & Life in München auf gerade mal eineinhalb Metern Tresenlänge getrocknetes Rindfleisch und Brühen - ebenso wie Benedikt Gundel, der am selben Tresen unter dem Label "Jarmino" gesundes Convenience Food im Glas anbietet. Beide Jungunternehmer legen bei ihren Produkten Wert auf Nachhaltigkeit. Damit sind sie bei der Food & Life wie auch generell im Messegeschäft keineswegs allein: Umweltschonende Veranstaltungen liegen im Trend. Einfach zu realisieren sind sie in dieser kurzlebigen Branche jedoch nicht immer.

Unter den jungen Ausstellern in der Ernährungsbranche ist ein bewusster Umgang mit Ressourcen fast selbstverständlich. Julius Michel etwa kauft Rindfleisch in der Eifel ein und lässt es nicht weit entfernt davon von einem Metzger verarbeiten. Weil er möglichst alle Teile des Rinds verwenden will, gibt es jetzt auch noch Knochenbrühe im Glas. Auf Nachhaltigkeit legt auch der 34-jährige Benedikt Gundel Wert. Seine Firma produziert in Bad Aibling, alles hundertprozentig Bio. Und wie nachhaltig ist ein Messeauftritt? Gundel findet das trotz Vorbehalten wichtig: "Wir müssen Messen nutzen, um unsere Produkte bekannt zu machen, denn als selbst finanziertes Start-up haben wir sonst nicht die Möglichkeit, groß zu werben."

Die Schnelllebigkeit von Messen, von Messeständen, das Catering auf dem Plastikteller, die Anreise, all das trägt nicht unbedingt dazu bei, Messen als Wiege der Nachhaltigkeit wahrzunehmen. Die Messe München weiß das, und arbeitet daran. "Gerade in Sachen Nachhaltigkeit sehen wir uns in der Pflicht, eine Vorbildfunktion zu übernehmen", erklärt Klaus Dittrich, Chef der Münchner Messe. Das sieht in der Praxis so aus: Photovoltaikdächer liefern Strom, geheizt wird mit Fernwärme, und um die Verkehrsbelastung weiter zu reduzieren, setzt sich die Messe derzeit für den Ausbau der S-Bahnlinie 2-Ost ein. Ein großes Thema aber ist der Müll: "Der weitaus größte Teil des Abfalls wird durch Messebauer, Aussteller und Besucher verursacht", sagt Dittrich. Daher werden die Aussteller verpflichtet, Umweltschutzvorgaben einzuhalten und möglichst langlebige Materialien einzusetzen.

Diese Vorgaben lassen sich manchmal durchsetzen, manchmal nicht. Simon Damböck, Geschäftsführer der Atelier Damböck Messebau in Neufinsing bei München, bietet etwa seit Jahren klimaneutrale Messestände an. Das funktioniert so: Alle Emissionen des Kunden, von der Spanplatte bis hin zur Hotelübernachtung werden zusammengerechnet, und das Unternehmen investiert entsprechend dazu in Ausgleichsprojekte irgendwo auf der Welt. Das kann man kritisch sehen. Zu Recht, meint Damböck. "Aber so lange es nichts Besseres gibt, mache ich wenigstens diese Art von Ablasshandel."

Besser funktioniere aber die Vielzahl an kleinen Schritten, die er in der Firma macht. Das reicht von der Hackschnitzelanlage, in die die Holzreste wandern, über Elektroautos im Wagenpool bis hin zum sparsamen Einsatz von Plastikfolie beim Verpacken von Bauteilen für den Messestand. "Es geht gar nicht so um die ganz großen Entwürfe, sondern um die vielen kleinen Dinge."

Der große Wurf hingegen ist oft im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Da ist zum einen die Sicherheit. Eine wunderschöne, mit lösemittelfreiem Stoff bespannte Trennwand verliert an ökologischem Sinn, wenn sie aus Brandschutzgründen mit Chemikalien behandelt werden muss. "Die Veranstaltungssicherheit hat Vorrang, das ist ein typisches Spannungsfeld", erzählt Damböck. Eine komplett kompostierbare Abdeckfolie wird meist nicht gekauft, weil sie das Vierfache der einfachen Plastikfolie kostet. "Das Geld ist immer wichtig." Manchmal aber fördere die technologische Entwicklung die Nachhaltigkeit, Stichwort LED-Beleuchtung. "Da hat sich unglaublich viel getan", sagt Damböck. Zwar kosteten die Lampen etwas mehr, doch die Stromersparnis gleiche die Mehrkosten schnell wieder aus.

Grundsätzlich aber, erklärt Damböck, finde er Messen durchaus nachhaltig. "Eine Messe spart Reisekosten", erklärt der Geschäftsführer. Man könne an einem Ort gleich zehn oder 15 Gespräche führen, brauche nicht nach Shanghai oder wohin auch immer zu reisen.

Luft nach oben zu mehr Nachhaltigkeit gibt es aber. Der Famab, der Verband für direkte Wirtschaftskommunikation, hat 2017 zum ersten Mal einen "Sustainability Summit" veranstaltet, 2018 gibt es eine Neuauflage. "Unsere Mitglieder wollen mehr zur Nachhaltigkeit beitragen als bisher", erklärt Famab-Geschäftsführer Jan Kalbfleisch. Bei Messen könne durchaus ökologisch sinnvoller gearbeitet werden, vorausgesetzt, man denkt früh mit. Beispielsweise wenn es im Standbau darum geht, vielleicht Holz aus heimischer Produktion statt aus den Tropen einzusetzen. Dazu kommt, möglichst per Bahn anzureisen. Strittig ist der Punkt Catering, wie Kalbfleisch einräumt. "Es existiert sogar die Auffassung, dass unter gewissen Umständen Kunststoffe oder Pappteller die ökologisch sinnvollere Alternative sind." Für sich selbst hat Kalbfleisch die Frage schon beantwortet - kein Plastik. Mindestens ebenso wichtig wäre ihm aber, kein Essen zu verschwenden. "Wir plädieren für den Mut, weniger anzubieten, damit am Ende der Veranstaltung keine Lebensmittel weggeworfen werden müssen." Keine leichte Sache übrigens, auch verbandsintern nicht. "Wir diskutieren das jedes Mal aufs Neue", sagt der Geschäftsführer.

Ihren Weg hat die Kaffeerösterei Wildkaffee aus Garmisch-Partenkirchen schon gefunden. Über den Status eines Start-ups ist sie hinweg, sie hat bei der Food & Life einen großen Aufbau im Zentrum der Halle, verziert mit Hirschbildern, große Kaffeemaschinen thronen auf dem Tresen. "Wir versuchen, alles selbst zu bauen und Müll zu vermeiden", sagt Mitarbeiter Patrick Festerling. Damit setzt das Garmisch-Partenkirchener Unternehmen seine Philosophie des nachhaltigen Wirtschaftens - die es mit Ökostrom und Einkauf direkt bei den Bauern in Burundi, Guatemala, Nicaragua im Alltag praktiziert - auf der Messe fort. Es gibt Porzellantassen, eine Spülmaschine. Doch das Engagement hat naturgemäß seine Grenzen, sagt Festerling. "100 Prozent Müllvermeidung ist schwierig."

© SZ vom 12.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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