Nach Korruptionsaffären:Siemens-Spitze verschärft Kontrollen

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Bestimmte Geschäfte, die bisher der Vorstand allein erledigt hat, sollen künftig nur noch mit Einverständnis des Aufsichtsrats möglich sein. Parallel treibt der Konzern den Börsengang des Autozulieferers VDO voran.

Klaus Ott und Markus Balser

Wann immer sich Aufsichtsräte der Siemens AG in diesen Wochen treffen, in einem Punkt ist man sich schnell und grundsätzlich einig: Die Kontrolleure wollen mehr Einblick. Bestimmte Geschäfte, die bisher der Vorstand allein erledigt hat, sollen künftig nur noch mit Einverständnis des Aufsichtsrats möglich sein.

Das ist eine der Lehren aus den diversen Korruptionsskandalen, die das Kontrollgremium allem Anschein nach gründlich aufklären will, ohne Rücksicht auf große Namen. Am vergangenen Wochenende, als der neue Vorstandschef Peter Löscher bestellt wurde, ging es bei den Vorgesprächen auch um einen anderen Punkt.

Abfindungen für ausscheidende Manager sollen von einer bestimmten Größenordnung an generell dem Aufsichtsrat oder zumindest dessen Präsidium vorgelegt werden, auch wenn es sich nicht um Vorstände handelt, sondern um Führungskräfte aus der mittleren Ebene.

Auslöser der Diskussion waren gut 1,7 Millionen Euro, die Ex-Konzernchef Heinrich von Pierer nach Angaben des Darmstädter Landgerichts Mitte 2004 dem Finanzchef der Sparte Kraftwerksbau, Andreas Kley, zugebilligt hatte. Kley wurde vergangene Woche in Darmstadt wegen Korruption zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Gericht zeigte sich irritiert, dass Siemens die Millionen-Abfindung nicht längst zurückgefordert hat.

Das könne Veruntreuung von Firmenvermögen sein. Die drei Mitglieder des Aufsichtsratspräsidiums, die sich vergangenen Freitag außerhalb von München trafen, waren nach dem Richterspruch offenbar wie elektrisiert. Es könne nicht sein, dass man von einer solchen Abfindung und den fragwürdigen Begleitumständen aus der Presse erfahre, hätten sich Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und seine beiden Stellvertreter, Deutsche-Bank-Vorstand Josef Ackermann und Siemens-Gesamtbetriebsratschef Ralf Heckmann gesagt.

Scharfe Angriffe auf die frühere Führungsspitze

So verlautet es aus dem Kontrollgremium, aus dem weiter zu hören ist, das Präsidium verlange vom Vorstand die Herausgabe des Abfindungsvertrags mit Kley. Das Präsidium wolle selbst prüfen, ob man die Millionenabfindung sofort zurückfordern müsse und das nicht länger dem bisher zögerlichen Vorstand überlasse.

Ackermann griff die alte Siemens-Führungsspitze um Klaus Kleinfeld und Heinrich von Pierer am Donnerstag scharf an: "Wenn in der Deutschen Bank systematisch solche Dinge aufbrechen würden, würde ich morgen zurücktreten", sagte Ackermann dem Zeit Magazin Leben und fügte hinzu: "Denn entweder war ich Teil davon, dann gehöre ich sowieso weg, oder ich habe es nicht gewusst, dann habe ich nicht geführt."

Ungeachtet des anstehenden Führungswechsels treibe Siemens den Konzernumbau weiter voran, hieß es aus dem Umfeld des Kontrollgremiums. Trotz mehrerer Übernahmeangebote, darunter des Konkurrenten Continental, favorisiere das Management weiter den Börsengang des Autozulieferers VDO mit zehn Milliarden Euro Umsatz.

Der Wettbewerber soll bereit sein, zehn bis elf Milliarden Euro für eine Komplettübernahme von VDO zu zahlen, hieß es. Die Offerte des Konkurrenten entspreche dennoch nicht den finanziellen Forderungen von Siemens, hieß es aus dem Aufsichtsrat. Continental habe großes Interesse, bekräftigte ein Sprecher des Konzerns aus Hannover am Mittwoch.

Man beobachte die Entwicklung intensiv und sei zu weiteren Gesprächen mit Siemens bereit. Nach Angaben aus Branchenkreisen könnte ein Verkauf deutlich mehr Geld einbringen als der Börsengang von VDO. Die vollständige Trennung stoße jedoch intern auf Widerstand. Der voraussichtlich größte deutsche Börsengang in diesem Jahr ist den Angaben zufolge spätestens für Oktober geplant.

Strafe in den USA

Tricks bei der Auftragsvergabe kommen Siemens in den USA teuer. Ein Gericht verurteilte den Konzern am Dienstag zur Zahlung von 2,5 Millionen Dollar (1,8 Millionen Euro). In dem Verfahren ging es um die Offerte für einen Krankenhaus-Auftrag über Medizintechnik im Wert von 49Millionen Dollar.

Dabei gab Siemens die Firma Faustech als Partner an, um die Ausschreibungsbedingungen zu erfüllen. Faustech soll jedoch nicht die Kapazitäten gehabt haben, den Anforderungen des Auftrags gerecht zu werden. Das Gericht in Chicago folgte mit dem Beschluss einer Vereinbarung von Siemens Medical Solutions USA mit der US-Bundesregierung. Darin bekennt sich der Konzern nach Gerichtsangaben schuldig, mit irreführenden Erklärungen die Justiz behindert zu haben.

© SZ vom 24.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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