Munich Economic Debates:Zeit für Reformen

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Leszek Balcerowicz, 73, Ökonom und Kritiker der polnischen Regierung. (Foto: imago)

Der polnische Ökonom Balcerowicz glaubt, dass das Coronavirus Europa in einer schwierigen Zeit trifft - mit hoher Verschuldung und geringem Wachstum. Geld für alle helfe da nicht. Er hat andere Vorschläge.

Von Nakissa Salavati, München

Der Mann kennt Umbrüche. Leszek Balcerowicz hat als Pole erlebt, was es heißt, wenn ein System - das sowjetische - zusammenbricht, wenn es schnelle Lösungen braucht, um eine Wirtschaft aufzurichten. Der liberale Ökonom und Professor an der Warsaw School of Economics war der Ende der Achtzigerjahre der erste Finanzminister Polens nach der kommunistischen Herrschaft. Er setzte den radikalen Plan um, ein ehemals sozialistisches System in eine Marktwirtschaft umzuwandeln. Mit dieser Erfahrung blickt er nun auf die Corona-Krise. "Sie trifft uns in einer schwierigen Zeit", sagte Balcerowicz bei den "Munich Economic Debates", einer Veranstaltung des Ifo-Instituts und der Süddeutschen Zeitung. Sie fand, selbstverständlich, per Videoschalte statt - was auch Vorteile hat, wie Ifo-Chef Clemens Fuest feststellte: "Wir haben Zuhörer von überall, nicht nur aus München." Und man kann die Debatte auch nachschauen, auf der Webseite des Ifo-Instituts.

Balcerowicz ist, so gehört es sich für Ökonomen, ein kritischer Mensch: Er glaubt, dass die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank nicht die besten Voraussetzungen für die jetzige Krise geschaffen hat. Einige EU-Staaten hätten sich nach der Finanzkrise nur langsam erholt, die Staatsschulden seien hoch, Geld sei so billig, dass Unternehmen massenhaft Kredite hätten aufnehmen können. Balcerowicz glaubt: "Die Geldpolitik der Zentralbanken hat die falschen Anreize gesetzt." Regierungen hätten daher wichtige Strukturreformen verschoben, das räche sich nun. Er hält es für falsch, jetzt einfach Geld zu verteilen, stattdessen fordert er einen gezielte Hilfe für Unternehmen. Die Idee eines neuen europäischen Aufbaufonds sieht er kritisch: "Wie soll er genau helfen, damit Reformen umgesetzt werden?" Europäische Solidarität sei wichtig, aber europäische Eigenheiten dürften nicht missachtet werden. Italien müsse seine Probleme anders lösen als etwa Deutschland. Und wie kann man etwa Italien dazu bringen, die Strukturen des Landes zu reformieren? Als Liberaler appelliert er an die Vernunft: Es liege im Eigeninteresse der Bürger. Ein Pessimist ist er also nicht. Bisher wurde noch jede Krise überwunden, und außerdem hoffe er auf die Wissenschaft - nicht die ökonomische: Wie es mit der Wirtschaft weitergehe, hänge vor allem davon ab, dass es bald ein Impfstoff gebe.

© SZ vom 29.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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