Montagsinterview:"Wir sind so etwas wie Apple. "

Lesezeit: 6 min

"Ich stelle Kunden immer die gleichen Fragen: Was ist euer Problem, was könnt ihr nicht mit konventioneller Technik herstellen?", sagt Hans J. Langer, promovierter Physiker. (Foto: oh)

Hans J. Langer über seine Begegnung mit dem Milliardär Elon Musk und der BMW-Großaktionärin Susanne Klatten. Mit EOS und Scanlab hat er selbst zwei Weltmarktführer geschaffen.

Von Elisabeth Dostert und Christoph Gurk

Hans J. Langer, 67, empfängt in der Firmenzentrale in Krailling. Sein Unternehmen EOS stellt 3-D-Drucker für die Industrie her. Wobei ihm das Wort Drucker ein wenig zu simpel ist, denn Langer liefert komplexe Systeme, Werkstoffe, Software und Beratung. Nach einem digitalen Bauplan schmilzt ein Laserstrahl aus Kunststoff- oder Metallpulver Schicht für Schicht Produkte, deren Herstellung mit konventionellen Methoden nicht möglich ist, etwa maßgeschneiderte Hüftprothesen, Komponenten für Autos und Raketen. Zur Langer-Gruppe mit rund einer halben Milliarde Euro Umsatz gehört unter anderem die EOS GmbH, sie ist auf industriellen 3-D-Druck spezialisiert, Scanlab, ein Anbieter von Scanner-Lösungen, dazu gehören Spiegelsysteme, die den Laser dosieren und ablenken, und AM Ventures, über die sich Langer an Start-ups beteiligt. Er hat einen Faible für Gründer, er war ja selbst mal einer.

SZ: Herr Langer, haben Sie viele Feinde?

Hans Langer: Es gibt sicher Leute, die sehr genau beobachten, was wir hier machen.

Aber machen Ihre 3-D-Drucker für die Industrie über kurz oder lang nicht ganze Wirtschaftszweige überflüssig wie den Maschinenbau oder die Autozulieferer? Da müssen Sie doch Feinde haben!

Ganz im Gegenteil! Wir hauchen denen frischen Atem ein.

Wie denn?

In unseren Innovation Labs zeigen wir Unternehmern, dass die additive Fertigung, also der schichtweise Aufbau von Produkten, der Schlüssel zur digitalen Produktion und zu neuen Produkten ist.

Sie stellen Ihren Kunden also Ihre Systeme in die Fabrik?

Die industriellen Drucker sind nicht das Einzige. Es geht um Plattformen, um Software, um die Lösung von Problemen.

Klingt alles sehr theoretisch. Gibt es denn schon konkrete Produkte?

Space-X, die Firma von Elon Musk, baut bestimmte Komponenten ihrer Raketenmotoren mit uns.

Wie ist denn Musk auf EOS gekommen, einen Mittelständler aus Krailling?

Er hatte von uns in der US-Presse gelesen und versucht, Komponenten auf unseren Systemen herzustellen. Mit dem Ergebnis war er nicht zufrieden. Musk rief dann bei mir an.

Wie muss man sich einen Anruf von Elon Musk vorstellen: Hi Hans ...?

So ist es.

Wie ging es weiter?

Ich bat Musk, mir die Baupläne zu schicken. Das lehnte er ab. Er hat sie dann unseren Experten in den USA gegeben. Nach ein paar Wochen hatte Musk ein perfektes Bauteil. Er rief dann wieder an.

Was wollte er dieses Mal?

Er brauchte zehn Systeme und Leute, die damit umgehen können. Und er bat mich, zu ihm in die USA zu kommen. Die hatten da nicht so eine großzügige Lobby wie hier bei uns in Krailling. Ich bin also einfach um die Ecke gegangen, und dort im Großraumbüro saß Elon Musk. Dort hat er mir als Allererstes ein Video gezeigt von seinen wiederverwertbaren Raketen.

Wie tickt Elon Musk?

Eigentlich ganz simpel. Der hat sich angesehen, wie die Nasa mit ihren Space Shuttles Nutzlasten in den Weltraum transportiert, und wollte es dann besser machen.

Wie helfen Sie deutschen Firmen?

Nehmen wir die Automobilindustrie. Momentan steht sie wegen des Dieselskandals ganz schön unter Druck. Meiner Ansicht nach ist der Verbrennungsmotor nicht am Ende, aber er wird in ein paar Jahren ganz anders aussehen. Daran arbeiten wir gerade mit einigen großen Herstellern. Der erste Vorstandschef, der hier vor rund fünf Jahren angerufen hat, war Dieter Zetsche von Daimler. Einer meiner Mitarbeiter wurde dann in Stuttgart vom Führungskreis empfangen. Dem obersten Management war damals gar nicht bewusst, dass sie in ihrem Prototypen-Labor schon seit mehr als 20 Jahren additiv fertigen.

Was kam bei Ihren Gesprächen heraus?

Jetzt stellen wir gemeinsam mit einem Zulieferer Ersatzteile für die Daimler-Nutzfahrzeug-Tochter Evobus her.

Was können Sie, was die Konzerne nicht können?

Ich stelle Kunden immer die gleichen Fragen: Was ist euer Problem, was könnt ihr nicht mit konventioneller Technik herstellen? Ich bin Physiker, ich frage immer nach dem Warum. Dann kommt man relativ schnell zum Kern des Problems. Wir arbeiten auch eng mit dem Gründerzentrum Unternehmertum von Susanne Klatten zusammen. Wir wollten etwas zusammen machen, die Start-up-Szene für die additive Fertigung sensibilisieren.

War Frau Klatten auch schon hier?

Ja, sie wollte wissen, was wir so machen. Sie zog dann aus ihrem Einkaufsbeutel ein defektes Gummiteil von ihrem Mülleimer. "Wenn das alles stimmt, was Sie erzählen, können Sie mir doch das Ersatzteil herstellen", hat sie gesagt. Das haben wird dann auch gemacht. Wir haben auch noch ihren Namen auf das Ersatzteil gelasert.

Wie lange wird es dauern, bis Fahrzeuge komplett gedruckt werden können?

So weit wird es nicht kommen. Das ist auch gar nicht nötig. Es genügt, die Schlüsselkomponenten ausfindig zu machen. Kann man zum Beispiel deren Effizienz mit konventionellen Mitteln nicht verbessern, ist der 3-D-Druck häufig die richtige Wahl. Meiner Meinung nach kommen maximal fünf Prozent aller Teile überhaupt für eine additive Fertigung infrage. Das allein ist schon ein Milliardenmarkt. Mit EOS und Scanlab habe ich schon zwei Weltmarktführer aufgebaut. Und wir suchen weitere.

Wie machen Sie das?

Über unsere Beteiligungsfirma AM Ventures investieren wir in Start-ups wie Vectoflow, Dyemansion oder 3 Yourmind, die sich ebenfalls mit der digitalen Fertigung beschäftigen. Alle schauen Richtung Silicon Valley und sehen die potenziellen Weltmarktführer vor der eigenen Haustür nicht. Wenn wir uns an einem Start-up beteiligen, schaue ich mir aber immer die Persönlichkeiten an. Wenn einer nur an der schnellen Million interessiert ist, passt er nicht zu uns. Es gibt sehr viele Gründer, die in sehr kurzer Zeit reich werden wollen. Ich merke schnell, wie jemand tickt. Wer für uns arbeitet, kommt nicht wegen des Geldes. Der findet unsere Werte toll und unsere Technologie. Wir sind so was wie Apple. Die Leute wollen dabei sein.

Wie wichtig ist Ihnen Geld?

Es geht mir nicht ums Geld. Ich fahre seit vier Jahren denselben Golf und wohne seit Jahrzehnten im selben Haus. Man muss immer wissen, was einen antreibt. Das Leben muss einen Sinn haben. Man muss sich auf das konzentrieren, was einem wichtig ist. Ich glaube, wir haben mit der additiven Fertigung die Chance, das Leben der Menschen deutlich zu verbessern, etwa in der Medizin. Ein Beispiel: Das Standard-Hüftimplantat wiegt heute mehr als zwei Kilo, das belastet das Skelett. Additiv hergestellt aus Metallpulver wiegt es noch 200 Gramm, und es ist maßgefertigt.

Sie haben Ihre Firma 1989 gegründet. Wann kam dann der Durchbruch?

2009. Bis dahin hatten wir binnen zwei Jahrzehnten unseren Umsatz auf 50 Millionen Euro im Jahr erhöht und etwa tausend unserer Systeme verkauft. Dann aber kamen die Manager großer Kunden und sagten: "Wir wollen mit der additiven Fertigung in eine neue Dimension wachsen, du musst deine Firma anders aufstellen, wir können das nicht mit einer Bastelbude umsetzen."

Verletzt es nicht, wenn ein Unternehmer die eigene Firma eine Bastelbude nennt?

Überhaupt nicht. Die haben ja auch gesagt, wenn alles richtig läuft, könne ich in den nächsten zehn bis 15 Jahren bis zu einer Milliarde Euro Umsatz machen. Wir haben dann erfahrene Manager eingestellt, die wissen, wie man ein Milliardengeschäft aufbaut.

Wieso ging das nicht mit Ihrem vorhandenen Personal?

Es gibt verschiedene Klassen von Managern. Da sind einmal die Gründer: Wenn die mit ihrer Firma zehn Millionen Umsatz schaffen, ist das schon ein großes Glück. Dann gibt es Menschen, die schaffen es bis 50 oder auch noch 100 Millionen Euro Umsatz. Dann kommt die Klasse bis zu 500 Millionen Euro und danach die Klasse bis 2,5 Milliarden. Das sind von Klasse zu Klasse völlig unterschiedliche Menschen.

Inwiefern?

Manche reden von Blauen und den Grünen, ich auch. Die Blauen sind die Corporates, die Konzernmanager. Die Grünen sind die Gründer. Der Corporate macht einen Fünf-Jahres-Plan und rechnet rückwärts, was er heute dazu braucht. Die Grünen interessiert das alles nicht, weil die aus Erfahrung wissen, dass sich ohnehin jeden Tag etwas ändern kann.

Blau oder grün: Welcher Typ sind Sie?

Ich bin der Ober-Grüne.

Eigentlich sind Sie grün- blau gestreift. Sie sind immer noch Vorstandschef der EOS-Gruppe.

Ich bin vielleicht eine Ausnahme.

Was ist der Grund Ihres Erfolges, Glück oder Ehrgeiz?

Ich nenne das Serendipity, glückliche Fügung. Sie treffen doch ständig Menschen und flechten ein Netzwerk. Sie müssen es nutzen und offen sein. Ich bin ein Menschenfänger. Ich kann Menschen begeistern.

Sie sind 67 Jahre alt. Bestes Rentenalter also. Wie geht es weiter mit Ihren Firmen?

Ich plane gerade die Nachfolge. Mein Sohn Uli ist 36 und Physiker und meine Tochter Marie Psychologin und 32, sie ergänzen sich ideal. Seit drei Jahren bereiten sie sich intensiv vor. Ich habe die Kinder schon früh an unserer Familienholding, der LHUM beteiligt, die Buchstaben stehen für Langer Hans Uli und Marie. Eine weitere Holding, Life Interest, gehört nur meiner Frau und mir.

Hans J. Langer , 67, wurde im Januar 1952 in Krumbach geboren. Er studierte Physik und wollte eigentlich an der Uni Karriere machen, mit Nobelpreisträgern zusammenarbeiten. Ein Kollege riet ihm, in die Industrie zu gehen. Er fing im Vertrieb eines Mittelständlers an, der Laserbeschrifter entwickelte. Dann warb ihn die US-Firma General Scanning ab. Deren Geschäftsführer konnte er nicht von seiner Idee der industriellen Drucker überzeugen. Da entschied Langer, sich selbständig zu machen. Er wirkt so, als hätte er es nicht bereut.

© SZ vom 01.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: