Der Chef hat den Überblick. Der Schreibtisch von Jeremy Darroch, 52, steht auf einem breiten Balkon, von dem aus er den Beschäftigten im Großraumbüro bei der Arbeit zuschauen kann. Der Engländer leitet Europas größten Fernsehkonzern Sky; die Zentrale der Pay-TV-Gruppe befindet sich auf einem Campus am Rande von London. Früher gab es getrennte Sky-Gesellschaften für Großbritannien und Irland, für Deutschland und Österreich sowie für Italien. Doch Darroch fusionierte sie und ist nun König des Pay-TV auf dem Kontinent. Dabei verbrachte der Manager viele Jahre in weit weniger glamourösen Branchen: Er fing erst 2004 bei Sky an, vorher arbeitete er unter anderem bei einem Elektronikhändler und dem Konsumgüter-Hersteller Procter & Gamble.
SZ: Herr Darroch, Sie fassen alle Sky-Gesellschaften zusammen, zugleich tritt Brian Sullivan, Chef von Sky Deutschland, überraschend zurück. Geht er im Streit?
Jeremy Darroch: Nein, keineswegs. Brian und ich waren über mehr als zehn Jahre Kollegen und wurden zu guten Freunden. Er hat in Deutschland großartige Arbeit geleistet, aber nach fünf Jahren hatte er das Gefühl, dass der richtige Zeitpunkt gekommen sei, um mit seiner Familie in die Vereinigten Staaten zurückzuziehen. Ich wünsche ihm für seine Rückkehr nur das Beste.
Nachfolger in Deutschland wird Carsten Schmidt, bisher vor allem für das Fußballgeschäft zuständig. Planen Sie in Deutschland jetzt eine neue Strategie?
Mit kurzfristigen Änderungen ist sicher nicht zu rechnen. Carsten ist jetzt stellvertretender Vorstandschef und wird die Übergabe koordinieren. Ende Juni wird er nach Brians Abschied nachrücken. Er ist zentrales Mitglied des Teams, das dieses Unternehmen bis jetzt geleitet hat, und er wird dessen nächste Wachstumsphase anführen. Dabei wird er einer Strategie folgen, die sich bewährt hat und erfolgreich ist.
Erfolgreich sind Sie mit Fußball. Gerade hat Sky für die künftigen Fernsehrechte an der englischen Premier League die Rekordsumme von gut vier Milliarden Pfund bezahlt. Kann man Ihnen gratulieren oder muss man Sie bemitleiden?
Sie können uns gratulieren. Wir haben alles bekommen, was wir haben wollten.
Die Summe ist aber enorm. Wie kann das gut sein für Sky?
Weil wir damit unsere Position als führender Anbieter von Sport sichern. Wir können unseren britischen Kunden auch in den kommenden Jahren Fußball anbieten, neben anderen Sportarten wie Golf, Rugby oder Cricket. Das ist sehr wichtig für uns. Natürlich war es nicht billig.
In Wirklichkeit war es sehr teuer. Ist es das wert? Ist Fußball immer noch so bedeutend für Ihr Geschäft?
Hier gibt es kein Entweder-oder, denn Fußball ist wichtig. Bei Sky bleiben wir dem treu, was wir gut können, während wir gleichzeitig Neues bringen und das Angebot stetig erweitern. Fußball gehört seit langer Zeit als bedeutender Bestandteil zu Sky, aber eben genauso wie gute Spielfilme oder unser Nachrichtenkanal Sky News, den es schon seit 25 Jahren gibt.
Wie werden Sie die Milliarden für die Premier League wieder erwirtschaften?
Insbesondere durch weiteres Wachstum, aber auch durch eine Steigerung der Effizienz. In Großbritannien haben wir in den vergangenen fünf Jahren um 40 Prozent beim Umsatz zugelegt, und das von einem bereits sehr hohen Niveau aus. Die Qualität unseres Angebots steigt, die Zahl unserer Angebote nimmt zu, und gleichzeitig schaffen wir es, die operativen Kosten weiter zu senken. Das alles erweitert unseren Spielraum für Investitionen und eine Verbreiterung des Angebots. Als ich vor zehn Jahren zu Sky kam, waren 90 Prozent unserer Kunden nur wegen Sport und Spielfilmen bei uns. Das hat sich inzwischen geändert, dieser Anteil ist deutlich geringer geworden.
In Deutschland gibt es Sorgen, der englische Fußball könnte durch das viele Geld von Sky übermächtig werden. Zu Recht?
Wir sind in Europa der größte Investor in den Sport. Wir glauben an den Sport, und je attraktiver er wird, umso besser ist das für uns, weil dann mehr Menschen unsere Angebote abonnieren. Wir haben also Appetit auf Investitionen.
Mehr Geld auch für den deutschen Fußball? In Deutschland werden von 2016 an wieder die Fernsehrechte vergeben. Die Bundesliga-Klubs erklären schon einmal, sie wollen einen höheren Preis sehen. Sky ist weiter interessiert, nehmen wir an . . .
(lacht) Ja, natürlich. Auch die Bundesliga ist bedeutend für uns. Wir haben eine gute Ausgangsposition, wenn die Rechte im kommenden Jahr wieder vergeben werden. Wir werden unser Bestes geben und hoffentlich wieder zum Zuge kommen.
Nach der Fusion der Sky-Gesellschaften in Europa sind Sie nun Chef über das Pay-TV-Geschäft in fünf Ländern. In welchem Staat ist der Job am einfachsten?
Alle Märkte sind verschieden, aber keiner der Märkte ist leicht. Der britische Pay-TV-Markt ist der reifste der Welt. Deutschland steht im Vergleich dazu noch am Anfang, hat aber großes Potenzial, kann also aufholen und mittelfristig auf das Niveau von Großbritannien kommen. Italien liegt irgendwo dazwischen. Allen gemein ist, dass es erhebliche Wachstumsmöglichkeiten gibt, der "Headroom", wie es bei uns heißt, ist gewaltig. In den fünf Ländern, in denen wir mit Sky aktiv sind, gibt es immer noch etwa 60 Millionen Haushalte, die kein Bezahlfernsehen haben. Das sind alles unsere potenziellen Kunden.
James Murdoch, unter anderem Ihr Vorgänger als Chef von Sky in Großbritannien, sprach einmal von zehn Millionen Kunden allein in Deutschland. Es sind derzeit vier Millionen. Ist das Ziel realistisch?
Wir halten nichts davon, unsere Erwartungen zu beschränken.
Sie bleiben also bei der Prognose von zehn Millionen Kunden in Deutschland?
Wir werden uns kein Limit setzen. In Großbritannien werden wir bald zwölf Millionen Abonnenten haben. Oder schauen Sie sich die hohen Zahlen auf dem Pay-TV-Markt in den USA an. Die Kunden wollen mehr Auswahl, mehr Qualität, mehr Service. Unterhaltung zu Hause, also Home-Entertainment, wird für immer mehr Menschen immer wichtiger. Die Durchdringung mit Pay-TV wird weltweit weiter steigen, auch in Deutschland.
Was sind Ihre Pläne für Deutschland?
Wir werden natürlich weiter "in den Bildschirm" investieren, also in die Programme. In Deutschland zum Beispiel in Sport, Spielfilme und Unterhaltung. Wir setzen auf Innovationen, wie ultra-hochauflösendes Fernsehen, auf Online-Videotheken wie "Snap" und andere Angebote. Wenn die Inhalte der Tennisball sind, dann geben die Innovationen dem Ball den entscheidenden Top-Spin, den richtigen Dreh. Wir machen das nach der Fusion der Geschäfte in Großbritannien und Irland, Deutschland und Österreich sowie Italien jetzt europaweit und werden damit schneller und besser.
Werden Sie wie in Großbritannien auch in Deutschland einen eigenen Nachrichtenkanal starten?
Wir denken über viele Sachen nach, es gibt derzeit aber keine konkreten Pläne für einen Nachrichtensender. Die Sache hat Vor- und Nachteile: Nachrichten werden heute immer wichtiger, sind aber auch überall und immer verfügbar. Großbritannien ist keine Schablone, die wir einfach auf andere Märkte anlegen. Wir sehen uns jeden Markt genau an und finden die besten Ideen dafür. Das Geschäft in Deutschland wird daher aus Deutschland geführt.
Sky hat angekündigt, die deutsche Tochter von der Börse zu nehmen. Warum?
Unser Übernahmeangebot ist sehr gut angenommen worden. Wir wären mit 75 Prozent Aktienbesitz glücklich gewesen, haben jetzt aber 96 Prozent und sind damit auch sehr glücklich. Bei einem so hohen Wert ist es einfach sinnvoll, die Eigentumsverhältnisse aufzuräumen. Daher wollen wir auch noch die restlichen Anteile übernehmen und dann die Börsennotierung beenden.
Doch richtige Gewinne macht das deutsche Geschäft nicht. Wann wird sich das ändern?
Deutschland ist auf einem sehr guten Weg. Wir verfolgen bei allem, was wir machen, einen langfristigen Ansatz: Wir investieren, und über die Zeit zahlt sich das dann aus. Es gibt keinen Grund, wieso Deutschland nicht in näherer Zukunft unter dem Strich profitabel sein sollte.
Wollen Sie Sky auch in weitere Länder bringen?
Derzeit haben wir genug zu tun mit der Verschmelzung des bestehenden Sky-Geschäfts. Aber grundsätzlich gilt natürlich: Wenn es lukrativ erscheint, gehen wir auch in neue Märkte. Das kann durch Übernahmen geschehen oder durch eigenes Wachstum. Welcher Weg der bessere ist, hängt vom Land ab.
Sky produziert jetzt eigene Serien. Wird das zunehmen?
Mit Sicherheit. Wir denken gerade darüber nach, wie wir Eigenproduktionen ausbauen können. Übrigens auch in Deutschland, denn auch dort haben wir Pläne für eine eigene Serie. Die Märkte in Europa sind kulturell sehr verschieden, und deswegen wollen wir den Zuschauern in den einzelnen Ländern neben den besten Filmen und Serien aus den USA auch Programme aus ihren eigenen Ländern bieten.
Wie gefährlich sind Online-Dienste wie Netflix oder Amazon für Ihr Geschäft? Die bieten über das Internet hochklassige Serien und Filme.
Wir sehen hier einen wachsenden Markt. Veränderte Technologien schaffen möglicherweise Chancen für Wettbewerber, aber sie ermöglichen auch uns neue Potenziale. So hätten wir beispielsweise vor einigen Jahren keine Services wie Sky Go oder Now TV einführen können.
Mit diesen Diensten können Abonnenten Ihre Programme über das Internet und auf dem Handy schauen . . .
Genau. Neue Technologien bieten jetzt die Gelegenheit, in neue Marktbereiche vorzustoßen.
Trotzdem: Mit Netflix hat Sky nun einen weiteren Rivalen, oder?
Schnelles Internet zu Hause und unterwegs vergrößert den Pay-TV-Markt, und davon werden zahlreiche Unternehmen profitieren. Viele Menschen, die Netflix abonnieren, sind auch Sky-Kunden; das schließt sich nicht aus. Eine Sache kann ich Ihnen mit absoluter Sicherheit sagen: Unsere Branche wird sich weiterhin rasant wandeln. Wir finden das gut, denn wir sehen darin neue Möglichkeiten. Der Wandel war übrigens auch ein Grund dafür, die Sky-Gesellschaften in den verschiedenen Ländern zu verschmelzen.
Welche konkreten Vorteile hat der Zusammenschluss?
Wenn wir mit Filmstudios oder Sportrechte-Vermarktern verhandeln, sind wir nun in einer besseren Position, denn wir decken gemeinsam wichtige Teile Europas ab. Außerdem gibt es manches, wo wir durch Vereinheitlichung Geld sparen können.
(Er steht auf und geht zu einem Regal, wo die unterschiedlichen Set-Top-Boxen aus Großbritannien, Deutschland und Italien stehen.)
Nehmen Sie unsere Receiver: Die sind bisher alle fast gleich, aber trotzdem irgendwie verschieden. Zum Beispiel die Farbe der Fernbedienungen. Ein mattes Grau in Italien, glänzend-grau in Großbritannien, schwarz in Deutschland.
Der Zusammenschluss war doch eine Idee Ihres Großaktionärs Rupert Murdoch, des milliardenschweren Medienunternehmers, um so mehr Kapital für seine anderen Geschäfte freizusetzen, oder?
Nein, das war unsere im Vorstand von Sky in Großbritannien. Wir hatten das Gefühl, dass nun die rechte Zeit gekommen sei, die Sky-Gesellschaften zu fusionieren. Ich wollte das schon länger, aber es bedurfte einiges an Überzeugungsarbeit bei unserem Großaktionär Murdoch.
Die Murdoch-Firma 21st Century Fox hält 39 Prozent der Sky-Aktien. Wie groß ist der Einfluss von Rupert Murdoch?
Er nimmt nur über den Verwaltungsrat Einfluss, in dem sein Sohn James einen Sitz hat. 21st Century Fox ist eines der führenden Medienunternehmen weltweit und ein verlässlicher Investor, der stets an Sky geglaubt und das Management unterstützt hat.
Immer mehr Menschen schauen sich Filme und Serien dann an, wann sie es wollen, sie nutzen Online-Videotheken. Hat das lineare Fernsehen noch eine Zukunft, also die Idee, Sendungen zu festen Uhrzeiten nacheinander zu bringen?
Feste Sendezeiten wird es sicher weiter bei Nachrichten, Sportereignissen und einigen populären Serien geben, zumindest in absehbarer Zukunft. Es sind ja auch nicht alle Zuschauer gleich: Wir müssen einen 20-Jährigen anders bedienen als einen 60-Jährigen.
Warum heißt der neue, fusionierte Konzern eigentlich nur Sky und nicht Sky Europe? Ist das britische Europaskepsis?
(lacht) Das hat nichts mit Europaskepsis zu tun! Ich kann Ihnen versichern, dass ich kein Europaskeptiker bin. Wir mögen alle den Namen Sky, denn wir arbeiten dafür, und das ist es, was wir gemeinsam haben. Aber "Europe" als Teil des Namens würde uns geografisch nur einschränken.