Möglicher Zusammenschluss der Börsen:Wir oder die

Lesezeit: 3 min

Das Finanzviertel von London: Eine fusionierte Börse soll ihren Hauptsitz in der britischen Metropole bekommen. (Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Deutsche-Börse-Chef Kengeter begründet die Fusionspläne mit dem britischen Rivalen mit der nationalen Sicherheit. Hauptsitz soll London werden. Und die USA draußen gehalten werden.

Von Meike Schreiber und Markus Zydra, Frankfurt

Die Stimme von Carsten Kengeter, 48, ist heiser, hin und wieder wischt er sich mit einem weißen Tuch den Schweiß von der Stirn. Der Chef der Deutschen Börse steht zwischen zwei Räumen der Villa Merton direkt im weißen Türrahmen. Natürlich wollen bei diesem "Speakers Lunch" im Union International Club alle wissen, wie es steht mit der Börsenfusion Frankfurt-London. Der athletische Kengeter setzt ein Pokergesicht auf. Die fokussierten Augen und die Grübchen, wenn er selbstbewusst lächelt, erinnern an Terence Hill, den Schauspieler aus den Italo-Western-Komödien der 1970er Jahre.

"Die Deutsche Börse kann auch als weltweite Nummer vier erfolgreich sein", sagt Kengeter, um gleich einzuschränken: "Aber nicht auf Dauer. Das ist ein Sinkflug." Kengeter kämpft um die Fusion, deren Pläne "vor zwei Tagen von einem nicht eigengesteuerten Menschen geleakt wurden." Da liegt Abscheu in seiner Stimme. Durch die Indiskretion hat Kengeter einen Teil der Deutungshoheit verloren. Jetzt braucht er Argumente, die jeder versteht.

Also verpackt er die Börsenfusion als europäisches Projekt. Es müsse eine "europäische Finanzmarktinfrastruktur hier bleiben". Die Fusion sei ein "Gedanke, der an die nationale Sicherheit grenzt". Bei so viel Pathos lacht einer der Zuhörer. Kengeter reagiert ernst: "Läge die finanzwirtschaftliche Infrastruktur in amerikanischen Händen, wäre das eine unangenehme Folge des Wettbewerbs."

Europa gegen die USA. Darum geht es.

Erst Anfang der Woche war bekannt geworden, dass die Deutsche Börse mit ihrem Rivalen in London, der London Stock Exchange (LSE), fusionieren will. Dieses Mal soll es keine feindliche Übernahme der LSE geben, wie es die Deutsche Börse in den vergangenen 15 Jahren gleich zweimal vergeblich versucht hatte. Im Gegenteil: Kengeter und Xavier Rolet, der LSE-Chef, sind sich bereits weitgehend einig. Es soll ein Zusammenschluss auf Augenhöhe werden.

Dennoch sind die Pläne umstritten. Vor allem die Politik könnte den Zusammenschluss erschweren, vermuten Beobachter. Mit Blick auf Umsatz und Mitarbeiter gehört die Deutsche Börse zwar nur zu den kleinen Dax-Konzernen. Als zentrale Infrastruktur einer Volkswirtschaft, über die sich die Unternehmen das nötige Kapital für ihr Wachstum besorgen können, haben Börsen aber eine herausgehobene Bedeutung. Die Deutsche Börse AG, deren fast ausgestorbener Parketthandel zudem jeden Abend in der Tagesschau zu sehen ist, braucht für den Betrieb der Frankfurter Wertpapierbörse eine Lizenz der hessischen Börsenaufsicht, die die Fusionspläne deshalb prüft. Zudem kann die Aufsicht dubiose Aktionäre stoppen, sofern sie mehr als zehn Prozent der Aktien an der Deutschen Börse AG erwerben. Auch die Fusion mit der LSE muss daher von der im hessischen Wirtschaftsministerium in Wiesbaden angesiedelten örtlichen Börsenaufsicht genehmigt werden.

Am Finanzplatz Frankfurt warnen die Ersten vor einer zu großen Sogwirkung nach London. "Die Fusion auf europäischer Ebene durchzubekommen, ist sicherlich kein großes Problem", sagte ein Insider. "Aber nationale Ressentiments könnten schnell hochkommen und den Zusammenschluss zumindest erschweren".

Genährt wurde die Sorge am Mittwoch dadurch, dass die fusionierten Börsen dem Vernehmen nach den Sitz der Holding nach London verlegen wollen. Zwar soll es auf der Ebene darunter weiterhin zwei Firmensitze geben und zunächst auch verschiedene Handelsplattformen. Das Signal wäre jedoch deutlich. Dass mit Kengeter der Chef der Deutschen Börse den Vorstandsvorsitz des Unternehmens übernehmen soll, dürfte die Kritiker nicht beruhigen, wohnt Kengeter mit seiner Familie doch bereits in London. Dort zu arbeiten, ist natürlich auch attraktiver als im Gewerbegebiet von Eschborn bei Frankfurt, wo die Deutsche Börse ihren Sitz hat.

Frankfurts Bürgermeister hätte gerne eine Fusion "auf Augenhöhe"

Kommentieren wollte am Mittwoch noch kaum jemand die Pläne. Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) aber sagte der Frankfurter Rundschau, er könne einen Zusammenschluss nur gutheißen, wenn er tatsächlich "auf Augenhöhe" geschehe. Es müsse geklärt werden, wie sich eine Fusion auf die Arbeitsplätze auswirke. In jedem Fall müssten Stadt und Land Hessen bei der Zukunft der Börse eng zusammenarbeiten. Wirtschaftsdezernent Markus Frank (CDU) kündigt baldige Gespräche mit der Geschäftsführung der Deutschen Börse an: "Eine Fusion kann eine große Chance für den Börsenplatz Frankfurt sein, weil Kosten gespart werden, aber die ersten Informationen reichen nicht aus."

Die Zeit drängt. Vorstand und Aufsichtsrat der Deutschen Börse sowie der Verwaltungsrat der LSE müssen dem Geschäft zustimmen. Vorher müssen viele Details der komplexen Verschmelzung in relativ kurzer Zeit geklärt werden. Nach britischem Übernahmerecht muss die Deutsche Börse bis 22. März erklären, ob sie der LSE ein formelles Fusionsangebot unterbreiten will oder nicht.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: