Mode: Gerhard Weber:"Nie dem Größenwahn verfallen"

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Modeunternehmer Weber über die insolventen Konzerne Escada und Karstadt, Winterblazer im Sommer - und die Farben der nächsten Saison.

E. Dostert u. S. Weber

Der Mann ist und bleibt ein guter Händler und seine Firma eines der erfolgreichsten deutschen Modeunternehmen. Irgendwann während des Interviews springt Gerhard Weber auf, um ein Kleid aus der aktuellen Kollektionen zu holen. Er schwenkt es durch sein Büro, als wolle er es hier und gleich verkaufen. Es sieht aus, als wäre es aus dickem Tweed-Stoff, ein Kleid für den Winter also. Tatsächlich ist das Teil nur in Tweed-Optik bedruckt. "Das kann die Kundin jetzt schon tragen und sie muss es nicht erst ein paar Monate in den Schrank hängen, bis die Temperaturen passen." Kollektionen für die vier Jahreszeiten hat Gerry Weber längst abgeschafft. Die Mode ist schneller geworden und mit ihr auch die Firma aus Halle.

Modeunternehmer Gerhard Weber: "Man braucht gute Mitarbeiter, die im Team spielen und sich gemeinsam mit dem Unternehmen weiterentwickeln." (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Weber, aus der Bekleidungsbranche kommen derzeit vornehmlich schlechte Nachrichten. In der vorvergangenen Woche hat Ihr Konkurrent Escada Insolvenz angemeldet. War das für Sie eine Überraschung?

Weber: Nein, überhaupt nicht. Wir kennen die Misere von Escada seit langem.

SZ: Was wird aus Escada?

Weber: Ich traue Vorstandschef Bruno Sälzer zu, dass es ihm gelingt, den Konzern zu sanieren.

SZ: Haben Sie Mitleid?

Weber: Als ich mich in den siebziger Jahren selbständig machte, war Escada ein Leuchtturm für mich. Überall, nicht nur in Deutschland, sondern in den Metropolen der Welt, war Escada damals schon mit schönen Geschäften vertreten. Die Gründer Margaretha und Wolfgang Ley haben in den ersten Jahren eine beeindruckende Leistung vollbracht.

SZ: Aber dann lief einiges falsch.

Weber: Ich kann nur sagen: Wenn ein Modeunternehmen erfolgreich sein will, muss es einige Grundsätze beherzigen.

SZ: Die da lauten?

Weber: Man braucht gute Mitarbeiter, die im Team spielen und sich gemeinsam mit dem Unternehmen weiterentwickeln. Auch wir haben bei null angefangen und uns vom Hosenhersteller zu einem Vollsortimenter entwickelt mit eigener Marke. Nicht wir wollten das, sondern die Kunden haben uns dazu getrieben. Man muss machen, was der Verbraucher will. Aus diesem Grunde sind wir auch vor zehn Jahren in den Einzelhandel eingestiegen und sind heute weltweit mit 330 eigenen Partner-Stores vertreten. Alle Modehersteller, die nicht selber Handel betreiben, werden auf Dauer nicht erfolgreich sein.

SZ: Klingt einfach!

Weber: Ist es aber nicht. Es reicht nicht, Designer einzustellen, die schöne Kleider für die Stange entwerfen, die den Kunden aber nicht gefallen. Designer denken anders als Kunden.

SZ: Das heißt, Anbieter hochwertiger Mode wie Escada scheitern an der eigenen Arroganz, weil sie den Kunden ignorieren?

Weber: Das will ich so nicht sagen.

SZ: Sondern?

Weber: Sie beschäftigen sich nicht genug mit ihren Kunden. Sie haben nicht begriffen, dass die Ware schnell verkäuflich sein muss. Die Kunden wollen neu erworbene Stücke nicht erst Wochen im Schrank hängen lassen, sondern sofort anziehen. In vielen Luxusläden hängen im Sommer dicke Winterblazer, die die Händler bei hohen Temperaturen nicht loswerden. Wir dagegen denken nicht mehr in Herbst-, Sommer-, Winter- und Frühjahrs-Kollektionen.

SZ: Gerry Weber hat die Jahreszeiten abgeschafft?

Weber: Wir liefern 21 Kollektionen im Jahr. Und wir beobachten genau, wie viel Ware wir in welchem Monat in die Läden liefern müssen. Damit haben wir und unsere Einzelhandelskunden Erfolg und verdienen Geld. Diese finanzielle Stärke kommt uns jetzt in der Krise zugute. Viele unserer Konkurrenten und auch Luxushäuser wie Prada haben in den vergangenen Jahren kräftig expandiert. Geld spielte da keine Rolle mehr. Jetzt leiden sie unter einer hohen Schuldenlast.

SZ: Ganz ungeschoren kommen Sie auch nicht davon. Im Frühjahr mussten Sie Ihre Umsatzprognose für dieses Jahr von 630 auf 600 Millionen Euro revidieren.

Weber: Natürlich haben auch wir Einbrüche, vornehmlich in Russland, Großbritannien, Spanien und im mittleren Osten. Das hat mit Währungsveränderungen zu tun, aber auch mit der hohen Arbeitslosigkeit in vielen Ländern.

SZ: Aber auch in Deutschland läuft doch nicht alles nach Wunsch?

Weber: Ja, das ist richtig. Dennoch haben wir im bisherigen Jahresverlauf beim Umsatz in unseren Einzelhandelsgeschäften zwei bis drei Prozent zugelegt. Dagegen hat der Markt knapp drei Prozent eingebüßt. Beim gesamten Umsatz des Konzerns liegen wir etwa acht Prozent über Vorjahr.

SZ: Wenn aber im Herbst, wie befürchtet, die Arbeitslosenzahlen in Deutschland kräftig steigen, könnte dies die Lust auf neue Mode weiter dämpfen.

Weber: Ich bin Optimist. Aber ich glaube auch nicht, dass die Krise schon überstanden ist.

SZ: Viele Ihrer Kunden im Einzelhandel haben Existenzprobleme. Viele haben Insolvenz angemeldet. Wie stark trifft Gerry Weber die Pleiten von Ketten wie Wehmeyer, Sinn-Leffers, Hertie und Karstadt?

Weber: Unserer Forderungsausfall liegt bei 0,1 Prozent. Vor ein paar Wochen saß hier der Insolvenzverwalter eines Warenhauskonzerns. Er wollte mich überzeugen, Ware ohne Kreditversicherung zu liefern. Das habe ich abgelehnt. Wir schicken keine Ware, wenn wir nicht sicher sind, dass wir das Geld dafür bekommen.

SZ: Von wie vielen Händlern haben Sie sich getrennt, weil sie Ihre Bonitätsansprüche nicht mehr erfüllten?

Weber: Das waren etliche. Hertie haben wir nie beliefert. Die Häuser entsprachen nicht unserem Stil.

SZ: Und Karstadt?

Weber: Die größten Karstadt-Häuser beliefern wir. Diese Lieferungen sind durch Kreditversicherer abgesichert.

SZ: Glauben Sie, dass sich ein Käufer für den Karstadt-Konzern finden wird?

Weber: Nein, Karstadt wird zerschlagen.

SZ: Damit verlieren Sie dann einen weiteren wichtigen Kunden?

Weber: Da muss ich widersprechen. Kaufhof hat ja schon angekündigt, einige Häuser übernehmen zu wollen, und ich kenne auch einige andere Händler, die Interesse an Karstadt-Standorten haben. Karstadt verschwindet, aber nicht die Kunden.

SZ: Seit Jahren stehen immer Mal wieder deutsche Modemarken zum Verkauf: Eterna, Cecil, Street One, Basler, unlängst trennte sich Escada von Biba, Laurèl, Apriori und Cavita. Warum greifen Sie nie zu?

Weber: Hier an diesem Tisch wurden mir schon viele Marken angeboten, fast alle. Ich bin immer standhaft geblieben. Gott sei Dank bin ich nie dem Wahn verfallen, der Größte werden zu wollen.

SZ: Was hat Sie davor bewahrt?

Weber: Für mich war es immer wichtig, alles an einem Standort zu konzentrieren. Es ist immer das Gleiche. Wenn es einer Firma gutgeht, kauft sie meist überteuert zu, so wie Escada. Und an jedem dieser Standorte wird dann ein Top-Management gebraucht. Aber die Firmenkulturen passen oft nicht zusammen. So kann ein zuvor erfolgreiches Unternehmen leicht in Schieflage geraten.

SZ: Sie wollen an einem Ort alle Fäden in der Hand halten. Ist das der Grund, weshalb Gerry Weber Männermode künftig nicht mehr in Lizenz fertigen lässt, sondern selber schneidert?

Weber: Ja, die Lizenzvergabe war mein Fehler. Wir korrigieren das jetzt.

SZ: Wann kommt die erste Herrenkollektion unter eigener Regie auf den Markt?

Weber: In ein, zwei Jahren. Wir werden ein Team zusammenstellen, das etwas von Herrenmode versteht. Aber zunächst müssen wir mit unseren Projekten im Einzelhandel weiterkommen.

SZ: Was planen Sie?

Weber: Wir wollen in den nächsten zwei bis drei Jahren zwei Drittel unserer rund dreieinhalbtausend Kunden dazu bringen, uns die Zusammenstellung ihres Sortiments zu übertragen. Das setzt Vertrauen voraus. Vielen Händlern fällt es schwer, die Einkaufshoheit abzugeben. Aber wer das wagt, kann sich stärker auf den Verkauf konzentrieren. Mit 600 Einzelhändlern machen wir das schon. Sie erreichen im Durchschnitt eine um drei Prozentpunkte bessere Marge.

SZ: Wagen Sie eine modische Prognose. Welche Farben trägt die Frau im Frühjahr/Sommer 2010?

Weber: Pudrige Farben. Rose, Bleu und - nicht ganz ungefährlich - pudriges Petrol. Wenn die Farben fest stehen, haben wir 50 Prozent der Kollektion fertig. Dazu braucht es Farbgefühl, ein gutes Gespür und viel Erfahrung. Da geht es oft um Nuancen.

© SZ vom 24.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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