Nun ist es amtlich: An diesem Donnerstag beantragte der Modekonzern Escada beim Amtsgericht München Insolvenz, wegen drohender Zahlungsunfähigkeit. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurden der Rechtsanwalt Christian Gerloff von der Münchner Kanzlei Ott und Kollegen bestimmt. Die Rechtsanwälte sind auf Pleiten spezialisiert und hatten bereits die Insolvenz der Restaurantkette Wienerwald betreut.

Die Escada-Tochtergesellschaften im In- und Ausland seien von der Insolvenz der Muttergesellschaft zunächst nicht betroffen, teilte die Firma mit. In Einzelfällen würde aber dort ebenfalls ein Restrukturierungs- oder ein Insolvenzverfahren nach dem jeweiligen nationalen Recht in Erwägung gezogen. Insgesamt beschäftigt der Modekonzern noch 2300 Mitarbeiter, davon rund 500 in der Zentrale in München. Escada sei gut vorbereitet für ein Insolvenzverfahren, hieß es. Der Vorstandsvorsitzende Bruno Sälzer will dem Insolvenzverwalter zunächst das Konzept für Escada vorstellen, dann wird entschieden, wie es weiter geht.
Unzufriedene Gläubiger
Der Modekonzern hat schon seit vielen Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Zuletzt musste Sälzer die Tochterfirma Primera mit knapp 1800 Beschäftigen abstoßen. Schon lange sind die Ergebnisse schlecht, im ersten Halbjahr des Geschäftsjahrs 2008/09 stiegen die Verluste erneut auf mehr als 90 Millionen Euro an. Das Münchner Unternehmen hat einen langen Kampf verloren. Auslöser für die Insolvenz war, dass der Finanzplan zur Rettung des Unternehmens gescheitert ist. Nur 46 Prozent der Anleihebesitzer hatten das Umtauschangebot angenommen.
Am Dienstag war die Frist an die Gläubiger einer 200 Millionen Euro schweren Unternehmensanleihe ausgelaufen. Sie sollten auf 60 Prozent ihres eingesetzten Geldes verzichten, um einen Beitrag zur Entschuldung des börsennotierten Unternehmens zu leisten. Das Angebot war an eine Annahmequote von mindestens 80 Prozent gekoppelt, die weit verfehlt wurde. Weil die Gläubiger nicht mitziehen, ist auch eine Kapitalerhöhung über knapp 30 Millionen Euro durch die Altaktionäre hinfällig.
Escada-Chef Sälzer bedauerte das Votum der Anleihe-Gläubiger: "Erstens hatten alle Interessengruppen - Aktionäre, Banken, Mitarbeiter - ihren Teil zur finanziellen Restrukturierung beigetragen", sagte der 52-Jährige, der zuvor Hugo Boss erfolgreich führte: "Zweitens zeigt die Neuausrichtung in der Mode erste positive Ergebnisse."
Die Gläubiger und ihre Interessenvertreter sind unzufrieden. Sie beklagen, ihnen sei das Angebot aufgezwungen worden, ohne dass vorher fair verhandelt worden sei. "Wir haben gegen das Umtauschangebot opponiert, weil die Anleihebesitzer keine Chance gehabt hätten, ihr eingesetztes Kapital zu 100 Prozent zurückzubekommen", sagt Daniel Bauer, der für die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) arbeitet. "Zudem wären diejenigen, die dem Deal nicht zugestimmt hätten, besser gestellt worden, wenn der Umtausch geglückt und der Geschäftsverlauf in Zukunft erfolgreich verlaufen wäre."
Rettung gescheitert
Dann nämlich hätten die Verweigerer 100 Prozent des eingesetzten Kapitals samt Zinsen zurückbekommen; den Preis für die Sanierung hätten allein die Umtauschwilligen gezahlt. Vom Forderungsverzicht der Gläubiger hätten zweifellos auch die Aktionäre profitiert - ohne wie üblich selbst entsprechend in die Pflicht genommen zu werden. Gescheitert ist die Rettung aber wohl auch deshalb, weil rund die Hälfte der Escada-Anleihen von Privatanlegern gehalten werden, die sich schwer damit tun, das Angebot des Modekonzerns einzuschätzen.
Dass es schlecht bestellt ist um den deutschen Luxuskonzern, ist aber spätestens seit einem Jahr am steilen Kurssturz der Anleihen abzulesen, für die mittlerweile an der Börse nur noch ein Viertel des Nennwerts geboten wird. Mit anderen Worten: Der Markt erwartet bereits einen Verlust von 75 Prozent des eingesetzten Kapitals. Schon zu besseren Zeiten muss Käufern klar gewesen sein, dass sie ein Risikopapier kaufen, warum sonst sollte Escada mit 7,5 Prozent Zinsen locken - weit mehr, als für sichere Geldanlagen zu bekommen ist?
Ob die Gläubiger im Insolvenzverfahren besser dastehen als mit dem angebotenen Umtausch, ist ungewiss. Generell werden in einem solchen Verfahren Kreditgeber mit besicherten Forderungen zuerst bedient - das sind in der Regel Banken, die Darlehen vergeben haben. Ihre Sicherheiten werden verwertet und fallen aus der Insolvenzmasse heraus.
"Der Börsengang war ein Fehler"
Die nächsten in dieser Kette sind die Anleihegläubiger. Reicht die Insolvenzmasse nicht, um alle Anleger zu 100 Prozent zu bedienen, wird eine Vergleichsquote festgelegt. "Im Regelfall sind das 40 Prozent", sagt Andreas Römer, Leiter Unternehmensanleihen bei der Fondsgesellschaft DWS. "Der Wert schwankt aber stark. In einer schweren Rezession und Finanzkrise wie derzeit fällt der Preis, den ein Unternehmen zurückzahlen kann automatisch." Unklar ist, wie groß die Substanz von Escada ist.
SdK-Mann Bauer will deshalb keine Zerschlagung, sondern ein Verfahren, in dem das Unternehmen fortgeführt und über eine Restrukturierung der Schulden neu verhandelt wird. Üblicherweise wird den Besitzern einer Anleihen dann ein Teil ihres Kapitaleinsatzes zurückgezahlt; dazu bekommen sie Aktien. Viele Vorbilder für solche Verhandlungen gibt es in der Geschichte deutscher Anleihen noch nicht, das frühere Medienunternehmen EM.TV gehört dazu. Für die Gläubiger ging es gut aus: Nachdem sich die Firma und ihr Aktienkurs erholt hatten, erhielten die Gläubiger Geld zurück.
Bei Escada wird das wohl nicht funktionieren. 1976 hatte Wolfgang Ley mit seiner Frau Margaretha die Firma gegründet, die er 1986 an die Börse brachte. Lange war die Familie bestimmender Großaktionär. Doch Ley verzettelte sich und musste schließlich Anfang 2006 den Posten des Vorstandsvorsitzenden räumen. Und er räumte schon im Oktober 2005 eine Fehlentscheidungen ein: "Der Börsengang war ein Fehler."