Mobilfunk:Aus für Huawei

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Selfie mit Riesen-Rubikwürfel: Huawei demonstrierte 2018 in London seine Leistungsfähigkeit mit dem Smartphone Mate 20 Pro. (Foto: Tom Nicholson/Getty Images)

Großbritannien hat beim Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards eine Kehrtwende vollzogen. Die Chinesen sind nun unerwünscht.

Von Christoph Giesen und Alexander Mühlauer, Peking/London

Es ist eine Nachricht, deren Auswirkungen in den kommenden Wochen noch gewaltig sein können: Großbritannien hat sich entschieden, den umstrittenen chinesischen Netzwerkausrüster Huawei beim Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards nicht zum Zuge kommen zu lassen. Premierminister Boris Johnson vollzieht damit eine abrupte Kehrtwende, die überall in Europa sehr genau beachtet werden wird, vor allem in Deutschland.

Noch im Januar hatte Johnson nach langem Hin und Her zunächst entschieden, Huawei am Ausbau des britischen 5G-Netzes unter strengen Auflagen zu beteiligen. Doch davon will er jetzt nichts mehr wissen: Johnson hat verfügt, dass der chinesische Telekomausrüster innerhalb von drei Jahren vom britischen Markt verschwinden soll. Hochrangige Beamte bestätigten einen entsprechenden Bericht des Daily Telegraph. Demnach soll der Regierungsapparat auf Anweisung des Premiers Pläne ausarbeiten, wie der Marktanteil von Huawei bis 2023 auf Null gesenkt werden kann.

Johnsons Sinneswandel hat vor allem zwei Gründe. Da gibt es einerseits die chinakritischen Abgeordneten in der Konservativen Partei des Premiers, die Huawei als Bedrohung für die nationale Sicherheit sehen. Trotz seiner komfortablen Mehrheit von 80 Stimmen im Unterhaus hätte Johnson auf die Dauer gegen einen massiven Widerstand von etwa 50 Tories ankämpfen müssen. Im Zuge der Corona-Pandemie, die von China aus über die Welt hereinbrach, wurde deren Ruf noch lauter, die wirtschaftliche Abhängigkeit Großbritanniens von der Volksrepublik so weit wie möglich zu senken.

Ein wütender US-Präsident ist zurzeit nicht das, was Boris Johnson braucht

Der zweite Grund für Johnsons U-Turn heißt Donald Trump. Der US-Präsident hatte den Premier monatelang davor gewarnt, Huawei am Ausbau des britischen 5G-Netzes zu beteiligen. Die Regierung in Washington fürchtet, dass China Bauteile oder Software für Spionage einsetzen könnte. Nachdem sich Johnson Anfang des Jahres entgegen dem Rat aus dem Weißen Haus dafür entschieden hatte, Huawei in Großbritannien einen Marktanteil von bis 35 Prozent zu gestatten, soll Trump ihn bei einem Telefonat beschimpft haben. Ein wütender US-Präsident ist aber zurzeit nicht das, was Johnson braucht, schließlich will er mit Trump einen Handelsvertrag nach dem Brexit schmieden.

Mit seiner Entscheidung, Huawei nun doch vom britischen Markt auszuschließen, dürfte Johnson in Trumps Gunst wieder gestiegen sein. Wenn es die Corona-Krise zulässt, will der Premier im kommenden Monat in die Vereinigten Staaten reisen. Johnsons Ziel ist es, noch vor den US-Präsidentschaftswahlen im November einen Mini-Handelsdeal mit Trump zu schließen. Gelingt das, könnte er damit in den Post-Brexit-Verhandlungen mit Brüssel den Druck auf die Europäische Union erhöhen.

Ziemlich sicher ist, dass die Kehrtwende in London nun Berlin unter Zugzwang setzt. Mehrfach hatte die amerikanische Regierung damit gedroht, der Bundesrepublik keine nachrichtendienstlichen Erkenntnisse mehr zur Verfügung zu stellen, wenn Huawei am Ausbau des 5G-Netzes in Deutschland beteiligt wird. Im Februar twitterte US-Botschafter Richard Grenell: "Donald Trump hat mich gerade aus der Air Force One angerufen und mich angewiesen, klarzumachen, dass jede Nation, die sich für einen nicht vertrauenswürdigen 5G-Anbieter entscheidet, unsere Fähigkeit gefährdet, Nachrichten und Informationen auf höchstem Niveau weiterzugeben." Eine Drohung, die allerdings nicht richtig verfing. Die britischen Geheimdienste sind Mitglied der sogenannten Five Eyes, dem mächtigsten Spionagebund der Welt. Erkenntnisse werden direkt mit den Amerikanern geteilt. Die deutschen Dienste erhalten weniger Informationen als die britischen. Würde Washington Deutschland tatsächlich abklemmen, wenn Huawei-Technik in Großbritannien zum Einsatz käme? Wohl kaum. Wenn die Briten Huawei für kontrollierbar halten, hörte man immer wieder in Berlin, könne man ähnlich vorgehen. Dieses Argument gilt nun nicht mehr.

Für das chinesische Unternehmen ist Johnsons Entscheidung ein Desaster. Ohnehin durchlebt Huawei gerade sehr bittere Wochen. Erst Mitte Mai verfügte das US-Handelsministerium, dass Chiphersteller künftig keine Halbleiter mehr an Huawei liefern dürfen, sofern diese auf Software und Technologie aus den Vereinigten Staaten beruhten. Huawei benötigt die Halbleiter für seine Smartphones und Netzwerke. Durch diese Einschränkungen könnte der Konzern den weltgrößten Chiphersteller, TSMC aus Tawian, als Produktionspartner verlieren - mit Konsequenzen für bereits bestehende Huawei-Mobilfunknetze überall auf der Welt. "Diese neue Regel wird sich auf den Ausbau, die Wartung und den kontinuierlichen Betrieb von Netzen im Wert von Hunderten von Milliarden Dollar auswirken, die in mehr als 170 Ländern unsere Technologie nutzen", sagte Huawei-Aufsichtsratschef Guo Ping vergangene Woche. Für sein Unternehmen gehe es ums Überleben. Jetzt erst recht.

© SZ vom 25.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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