Millionenbetrug in USA:Raubzug mit dem Laserdrucker

Lesezeit: 2 Min.

Russell Wasendorf ging das Geld aus, also betrog er seine Kunden. Um Millionen. Dabei ist die Peregrine Financial Group nicht die erste US-Firma, die so handelt. Und wieder fragen sich nicht nur die Geschädigten: Warum wurde der Betrug so lange nicht entdeckt?

Nikolaus Piper, New York

Das Drama begann am Donnerstag in Cedar Falls, einem Provinzkaff im amerikanischen Bundesstaat Iowa. Peregrine Financial Group, eine nicht sehr große, aber für den Handel mit komplizierten Finanzprodukten - sogenannten Derivaten - wichtige Firma, meldete Konkurs an. Der Aufsichtsbehörde CFTC war zuvor aufgefallen, dass in den Büchern 215 Millionen Dollar fehlen, die eigentlich den Kunden gehören. Kurz danach fanden Mitarbeiter ihren Chef, Russell Wasendorf, 64, in seinem Auto auf dem Firmenparkplatz. Er war bewusstlos, ein Schlauch führte vom Auspuff ins Wageninnere. Wasendorf wurde in ein Krankenhaus eingeliefert.

Auffällige Parallelen zum Fall Bernie Madoff: Firmeninhaber Russell Wasendorf. (Foto: AP)

Nun kennt man den Schlüssel zu dem Mysterium: Peregrine Capital war nichts anderes als ein Instrument, um Kunden zu bestehlen. Wasendorf legte noch im Krankenhaus ein umfassendes Geständnis ab. Seit mehr als 20 Jahren veruntreute er das Geld seiner Kunden. Angefangen hatte er damit, so seine Aussage, aus Not: Ihm war das Kapital ausgegangen "und ich stand vor der Entscheidung: aufgeben oder betrügen". Wasendorf räumt die Veruntreuung von 100 Millionen Dollar ein, womit das Verschwinden von weiteren 115 Millionen Dollar ungeklärt bleibt. Seinen Betrug verdeckte Wasendorf auf denkbar einfache Weise: Er fälschte Kontoauszüge, was mit Software wie Photoshop und Excel und einem guten Laserdrucker heutzutage kein Problem mehr zu sein scheint.

Der Fall Peregrine weist erschreckende Parallelen auf zum Betrug des Bernie Madoff in New York, der 2008 aufflog, nachdem er das größte Schneeballsystem der Geschichte aufgezogen hatte. Die Dimension ist zwar kleiner - bei Madoff ging es um einen Schaden von mehreren Milliarden Dollar -, doch die Konsequenzen für die Kunden könnten ähnlich desaströs werden. Peregrine vermittelte zum Beispiel Terminkontrakte für Farmer, die ihre Mais- oder Weizenernte gegen Preisverfall versichern wollen. Die stehen jetzt ohne Schutz da. Wie Madoff war Wasendorf eine hoch angesehene Persönlichkeit in seinem Umfeld und nutzte dieses Prestige für den Betrug. Niemand wunderte sich jedenfalls, dass Kontoauszüge bei Peregrine ausschließlich über den Schreibtisch des Chefs gingen.

Wasendorf saß auch im Verwaltungsrat der National Futures Association, einer Selbstregulierungsinstanz der Branche, die ihn eigentlich beaufsichtigen sollte. Ähnlich wie Madoff war Wasendorf auch ein großzügiger Spender - unter anderem für den Schutz von Raubvögeln. "Peregrine" bedeutet Wanderfalke.

Wasendorf wird jetzt angeklagt und muss damit rechnen, den Rest seines Lebens im Gefängnis zu verbringen. Die wichtigste Frage für die Öffentlichkeit aber lautet: Warum wurde der Betrug so lange nicht entdeckt? Die Kontrolleure kamen Wasendorf erst auf die Schliche, als eine andere große Finanzfirma, MF Global, zusammengebrochen war. Als Konsequenz aus dieser Pleite verlangten sie von den Firmen elektronische anstelle von Papier-Kontoauszügen. Wasendorf weigerte sich strikt, bei dem neuen System mitzumachen und lenkte so den Verdacht auf sich. Auch das ist eine Parallele zu Madoff: Die Finanzaufseher reagierten erst, als sie mit der Nase auf den Misthaufen gestoßen wurden.

© SZ vom 16.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: