Milch: Subventionen für Bauern:Rolle rückwärts der EU

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Die EU reagiert mit neuen Subventionen auf die drastisch gefallenen Milchpreise. Dabei sollten die Finanzhilfen eigentlich abgeschafft werden.

D. Kuhr und S. Liebrich

Angesichts der dramatisch gesunkenen Milchpreise hat EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer-Boel überraschend Hilfe versprochen. In der kommenden Woche werde die EU-Kommission erneut Exporterstattungen für Butter, Käse sowie Voll- und Magermilchpulver einführen, kündigte Fischer-Boel am Donnerstag in Berlin an. Zudem werde ab März mit dem Aufkauf von Butter und Magermilchpulver begonnen. "Die Heftigkeit des Preisverfalls von Milch und Milchprodukten in den letzten Monaten hat viele überrascht", sagte die EU-Kommissarin. "Ich bin zutiefst überzeugt, dass die von mir heute vorgeschlagenen Maßnahmen den Milchmarkt stabilisieren werden."

Der Milchpreis ist drastisch gefallen - die EU reagiert mit Subventionen. (Foto: Foto: dpa)

Von März bis August würden 30.000 Tonnen Butter sowie 109.000 Tonnen Magermilchpulver zu einem festgelegten Preis gekauft. Weitere Mengen könnten bei Bedarf in einem Ausschreibungsverfahren übernommen werden. Darüber werde noch verhandelt. "Jetzt ist die Zeit gekommen, dieses Instrument wiederzubeleben", sagte Fischer-Boel über die umstrittenen Exporterstattungen. Die Weltmarktpreise seien mittlerweile so niedrig, dass die europäischen Exporteure damit "nicht länger konkurrieren können". Die Finanz- und Wirtschaftskrise habe die Situation verschärft. Fischer-Boel zeigte sich zudem offen, für den geplanten Milchfonds bereits in diesem Jahr Geld bereitzustellen und nicht erst 2010.

Vorteil für Amerikas Farmer

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) begrüßte die Pläne. "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung", sagte sie. "Wir dürfen die Milchbauern in dieser Situation nicht alleine lassen." Auch der Deutsche Bauernverband lobte den Schritt. "Wir freuen uns, dass Frau Fischer-Boel so schnell auf unsere Forderungen reagiert hat", sagte Gerd Sonnleitner, Präsident des Bauernverbandes, am Rande der Grünen Woche. "Damit kann den Milchbauern in dieser schwierigen Markt- und Übergangsphase sofort geholfen werden."

Sonnleitner hatte sich zuvor vehement für eine Erhöhung der Exporthilfen ausgesprochen. Ohne Unterstützung werde sich die finanzielle Situation vieler Bauern durch die Wirtschaftskrise erheblich verschlechtern. "Wir brauchen kurzfristige Überbrückungshilfen", sagte er. Der starke Euro erschwere zunehmend die Ausfuhr, vor allem von Fleisch und Milchprodukten. Besonders auf dem wichtigen Markt Osteuropa befürchte er Einbußen für die deutschen Landwirte. Der sich abschwächende Dollar verschaffe den Erzeugern aus den USA einen Wettbewerbsvorteil, der durch eine Wiederausweitung von Exportbeihilfen der Europäischen Union ausgeglichen werden müsse.

Fischer-Boel betonte, dass die Wiederbelebung der Exportsubventionen keine Wende in der Agrarpolitik markiere. "Es ist mir nach wie vor lieber, wenn ein Markt ohne Subventionen auskommt", sagte sie zur Süddeutschen Zeitung. "Wir wären den Schritt nicht gegangen, wenn die Situation nicht so extrem schwierig wäre."

Exportsubventionen sind seit langem umstritten. Sie verzerren den Welthandel und zerstören nach Ansicht von Kritikern Märkte in armen Ländern. Eigentlich wollte die EU diese Subventionen bis 2013 abschaffen. Bei Obst, Gemüse, Wein oder auch Getreide beispielsweise gab es zuletzt überhaupt keine Exporterstattungen mehr. Für Milch waren sie Mitte 2007 ausgesetzt worden.

Angst vor weiterem Preisverfall

Trotzdem will Fischer-Boel die Exporterstattungen nun zunächst wieder einführen. "Andernfalls besteht die Gefahr, dass in den kommenden Monaten viele Milchbauern aufgeben", sagte sie. "Wer aber erst einmal aufgegeben hat, kehrt nie wieder zurück." Das könne sich Europa nicht leisten. "Wir brauchen gerade auch die Bergbauern, die in schwierigen Hanglagen Milchkühe halten." Den Vorwurf, dass die EU mit den Agrarsubventionen die Lage in armen Ländern verschärfe, wies Fischer-Boel zurück. "Die Europäische Union trägt bei weitem am meisten zur Entwicklungshilfe bei", sagte sie. Zudem sei Europa mit Abstand der größte Importeur von Agrarprodukten der 49 ärmsten Länder der Welt. "Wir importieren mehr aus diesen Ländern als Kanada, USA, Australien und Japan zusammen", sagte Fischer-Boel.

Die Vereinigung der europäischen Milchviehhalter, zu der auch der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter gehört, lehnt die Pläne der EU dennoch ab: Damit werde sich die Situation der Bauern in den Entwicklungsländern weiter verschlechtern, die schon seit langem unter Billigexporten von Milchprodukten aus der EU zu leiden hätten. Der Präsident des BDM, Romuald Schaber, erneuerte seine Forderung nach einem Milchpreis von 40 Cent je Liter. Mit seiner Haltung zur Milchpreispolitik steht der BDM konträr zum Deutschen Bauernverband.

Einigkeit besteht lediglich darüber, dass ein weiterer Rückgang der Milchpreise nicht hingenommen werden könne. Sonnleitner äußerte die Befürchtung, dass der Milchpreis im ersten Halbjahr 2009 erneut kräftig sinken wird. Derzeit bekommen die Erzeuger den Angaben zufolge zwischen 20 und 25 Cent je Liter Milch. Vergangenes Frühjahr hatte der Preis noch bei 40 Cent gelegen.

© SZ vom 16.01.2009/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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