Streit um die Milch:"Wir verstehen die Welt nicht mehr"

Lesezeit: 2 min

Der Bundesrat hat die Beschlüsse des Milchgipfels abgelehnt und setzt noch eins drauf: Die Milchproduktion steigt künftig um zwei Prozent. Die Bauern sind empört.

Drei Monate nach dem Milchgipfel hat der Bundesrat die Forderung der Bauern nach einer Senkung der Milchmenge in Deutschland mit großer Mehrheit abgelehnt.

Im Mai waren die Bauern noch optimistisch: In einem wochenlangen Streik forderten sie 40 Cent pro Liter Milch. (Foto: Foto: getty)

Die entsprechenden Anträge Bayerns wies die Länderkammer am Freitag ab. Bayern hatte die Abschaffung der Regelung vorgeschlagen, nach der Milcherzeuger bei Molkereien mehr Milch anliefern dürfen als ihnen per Quote erlaubt ist.

Zudem sollte ein neuer Umrechnungsfaktor für Milch eingeführt werden, der die Milchmenge ebenfalls leicht gesenkt hätte. Mit diesen Änderungen sollte das derzeitige Überangebot an Milch abgebaut werden, um so die Preise zu stützen.

Grünes Licht gab es hingegen vom Bundesrat für die von der EU bereits im März beschlossene Erhöhung der Milchproduktion um zwei Prozent in Deutschland.

Dieser Beschluss stößt bei Vertretern der großen Koalition und bei der Opposition auf scharfe Kritik. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) warf der Bundesratsmehrheit am Freitag vor, sie habe "in Zeiten schwieriger wirtschaftlicher Rahmenbedingungen für unsere Milchbauern eine große Chance vertan".

Die Grünen-Agrarexpertin Ulrike Höfken nannte die Entscheidung der Ländermehrheit "in hohem Maße unverantwortlich gegenüber Milchbauern sowie umwelt- und entwicklungspolitischen Interessen".

Nach Auffassung von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) ist derzeit ohnehin zu viel Milch auf dem Markt.

Der bayerische Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU) verwies darauf, dass ein Überangebot am Milch zu einer "Talfahrt der Preise" geführt habe. Quotenerhöhungen seien in dieser Situation das falsche Signal. Vielmehr wäre es richtig, die Überproduktion von Milch zu begrenzen.

Milchdrosselung ungeeignet für Preisstabilisierung

In der Bundesratsdebatte hatte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) dagegen argumentiert, eine Drosselung der nationalen Milcherzeugung sei ungeeignet, den Milchpreis und damit das Einkommen der Erzeuger zu stabilisieren.

In diesem Fall lasse sich nicht die Regel anwenden, wonach bei einer Reduzierung der Angebotsmenge der Preis steige. Auch sollte Deutschland bei der Umsetzung des EU-Ratsbeschlusses keinen nationalen Alleingang unternehmen.

Auch Baden-Württembergs Ernährungsminister Peter Hauk (CDU) plädierte dafür, die EU-weit beschlossene Quotenerhöhung in Deutschland umzusetzen. Bestrebungen einer einseitig nationalen Mengenbegrenzung könne sein Land "im Interesse einer nachhaltigen Grünlandbewirtschaftung durch Milchviehbetriebe" nicht mittragen. Die deutsche Milchwirtschaft insgesamt, also Bauern und Molkereien, würden dann im Wettbewerb geschwächt.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) schloss sich dem Votum des Bundesrates an, dass einseitige Mengenbeschränkungen in Deutschland im EU-Markt und im Weltmarkt "verpuffen" würden. Stattdessen müssten EU-Hilfsprogramme für die Milchbauern "Konturen bekommen". Zudem müsse die EU den Absatz im Binnenmarkt und im Export "deutlich ankurbeln".

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich die Bauern nach dem Votum des Bundesrates fühlen.

"Schlag ins Gesicht"

Die Milchbauern selbst, sind nach dem Votum des Bundesrates "enttäuscht und wütend", Nach den Zusagen auf dem Milchgipfel die Milchmengensenkung nun abzuschmettern, sei "Wortbruch", sagte der Vorsitzende des Milchbauernverbandes, Romuald Schaber. "Wir verstehen die Welt nicht mehr." Schaber kündigte Demonstrationen der Bauern an; in Schleswig-Holstein und Bayern "braut sich schon was zusammen". Ein neuer Lieferstreik sei aber kein Thema.

Erst Anfang der Woche hatten die großen Lebensmitteldiscounter ihre Preise für Milch und Milchprodukte um bis zu 30 Prozent gesenkt. Für den Brandenburger Landesbauernverband ist dies ein "Schlag ins Gesicht". Weil die Discounter zur gleichen Zeit sehr ähnliche Werbeanzeigen für niedrige Preise geschaltet hätten, stelle sich die Frage nach der kartellrechtlichen Zulässigkeit der Aktion.

Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) bat Länder und Einzelhandel deshalb in Briefen um Unterstützung für Milchbauern. "Ich bitte Sie sehr dringlich, in dieser schwierigen Situation Ihre Marktmacht nicht dazu zu nutzen, den Preisdruck noch zu verstärken", schrieb Aigner an sechs Spitzenvertreter des Einzelhandels.

© sueddeutsche.de/dpa/ld/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: