Mietpreisbremse:Wirkt sie, wirkt sie nicht?

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Berlin bei Nacht: Am Immobilienboom möchten viele teilhaben, doch dafür sind große Summen nötig. Crowdinvesting steht dagegen auch Kleinanlegern offen. (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)

Mieter können sich seit gut einem Jahr gegen zu teure Wohnungen wehren. Doch in vielen Großstädten gibt es noch keine einzige Klage.

Von Benedikt Müller, München

Es geht zwar nur um 32 Euro. Trotzdem ist die Entscheidung, die das Amtsgericht Berlin-Lichtenberg vor einer Woche bekanntgegeben hat, von bundesweiter Bedeutung: Erstmals haben sich Mieter vor Gericht gegen eine überhöhte Miete gewehrt, weil sie sich auf die Mietpreisbremse berufen haben. Nun muss die Vermieterin die zu viel gezahlte Miete zurückzahlen, und die Mieter zahlen künftig 32 Euro weniger pro Monat. Greift sie also doch, die totgesagte Mietpreisbremse?

Neue Zahlen sprechen dagegen. Denn mit ihrer Klage stehen die Mieter aus Lichtenberg ziemlich alleine da. Obwohl die Mietpreisbremse in Berlin seit gut einem Jahr gilt, sind in den Amtsgerichten der Hauptstadt bislang nur sechs einschlägige Klagen eingegangen. In Hamburg, München, Frankfurt und Stuttgart hat noch kein einziger Mieter eine Klage wegen der Preisbremse eingereicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Und wenn keine Mieter klagen, können auch keine Vermieter verurteilt werden. Wer die Preisgrenze überschreitet, braucht dann keine Konsequenzen zu fürchten.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ruft Mieter seit Monaten auf, von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Die Mietpreisbremse sei ein "Paradigmenwechsel", betont Maas zugleich: Es dauere, bis sich die neue Regel herumgesprochen hätte.

Der Deutsche Mieterbund zeigt sich weniger geduldig. "Wenn es 15 Monate nach der Einführung nur ein einziges Verfahren bezüglich der Mietpreisbremse gibt, kann man beim besten Willen nicht behaupten, das Gesetz würde funktionieren", sagt Geschäftsführer Ulrich Ropertz. Allerdings betont der Mieterbund, eine Klage sei stets das letzte Mittel, um sich gegen hohe Mieten zu wehren. "Normalerweise wird man sich außergerichtlich verständigen", sagt Ropertz.

So berichtet etwa der Mieterverein München, die Zahl der Beratungen zum Thema Mietpreisbremse nehme zu. "Inzwischen sind immer mehr Mieter bereit, sich zu wehren", sagt Geschäftsführer Volker Rastätter. In ersten Fällen habe der Mieterverein bereits "deutliche Verbesserungen" erreicht, nachdem Mieter Verstöße gegen die Mietpreisbremse gerügt hatten und die Vermieter außergerichtlich einlenkten. "Wir stehen mit einigen Vermietern noch in Verhandlungen", sagt Rastätter.

Die Mietpreisbremse gilt inzwischen in etwa 300 Städten bundesweit. Wird eine Wohnung neu vermietet, darf der Vermieter dort höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Miete für Wohnungen dieser Ausstattung. Was ortsüblich ist, legt der städtische Mietspiegel fest.

Allerdings gilt die Preisbremse nicht für bestehende Mietverträge. Auch neu gebaute oder umfassend sanierte Wohnungen sind von der Regel ausgenommen. Zudem dürfen Vermieter, wenn sie bereits im vorherigen Mietverhältnis mehr als 110 Prozent der ortsüblichen Miete verlangt haben, die Grenze weiter überschreiten.

Der Deutsche Mieterbund kritisiert, aufgrund der vielen Ausnahmen könnten Mieter schlecht einschätzen, ob sie sich erfolgreich auf die Mietpreisbremse berufen können. "In München ist die Angst der Mieter groß, sich Ärger mit ihren Vermietern einzuhandeln", ergänzt Rastätter.

Jegliche Untersuchungen der Mietpreisbremse waren bislang zu dem Ergebnis gekommen, dass Wohnungen trotz der Regel zu immer höheren Mieten angeboten werden. Das Bundesjustizministerium gibt nun ein eigenes Gutachten in Auftrag, um die Wirkung der Preisbremse zu untersuchen. Spätestens wenn die Ergebnisse vorliegen, will die SPD über Nachbesserungen der Preisbremse verhandeln.

Die Union lehnt eine Verschärfung der Preisbremse bislang ab. "Das Gesetz ist ein scharfes Schwert", sagt Jan-Marco Luczak, CDU-Mietrechtsexperte. "Nur weil es bislang vor Gericht wenig eingesetzt wurde, heißt das nicht, dass dieses Schwert stumpf ist." Die Mieter müssten die Klinge schwingen, um ihren Rechten Geltung zu verschaffen, so Luczak, wie der Fall in Lichtenberg zeige.

© SZ vom 07.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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