Merkel und der Atomausstieg:Energieminister, in zehn Jahren

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Bis zu vier Ministerien reden in der Energiepolitik mit. Das erzeugt Reibung. Jetzt besinnt sich selbst Kanzlerin Angela Merkel und befürwortet doch noch einen eigenen Ressortchef für die Energiewende. Allerdings erst für die Zeit nach dem Atomausstieg - obwohl selbst ihre Parteifreunde drängen.

Michael Bauchmüller, Berlin

Wie standhaft die Kanzlerin doch noch vor einem Monat war. Von einem Energieministerium, so beschied sie der gesammelten deutschen Wirtschaftselite kürzlich, halte sie nichts: Es würde die Probleme schließlich auch "nicht alle lösen". Das war im März.

Jetzt hat sie sich der Idee immerhin ein bisschen geöffnet. Sei der Atomausstieg erst vollständig geschafft, "kann ich mir vorstellen, die Energiepolitik in einem Haus zu bündeln", sagte Merkel der Rheinischen Post. Vorher dagegen sei es sinnvoll, die Atomaufsicht einem eigenen Ministerium zu überlassen, sie obliegt derzeit dem Umweltressort. Mit anderen Worten: Vor 2022 würde sich gar nichts tun, jedenfalls nicht unter einer Kanzlerin Merkel. Dann erst wird in Deutschland das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet.

Teile der Wirtschaft, die Opposition, aber auch Unions-Ministerpräsidenten fordern schon lange ein eigenes Energieministerium. "Spätestens in der nächsten Legislaturperiode muss ein Energieministerium her", fordert etwa Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU). Ähnlich klingt das bei der Stadtwerke-Lobby VKU. "Die Energiebranche braucht ein qualifiziertes Projektmanagement, das am besten in einem eigenen Ministerium gebündelt wird", sagt VKU-Chef Stephan Weil, Oberbürgermeister von Hannover. Das auch nicht erst in ferner Zukunft, sondern "dringend". Die Sozialdemokraten drängen ebenfalls zur Eile. "Es ist grotesk, dass Merkel die Kompetenzen in der Energiepolitik erst bündeln will, wenn der Ausstieg aus der Atompolitik endgültig geschafft ist", sagt SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. "Wir brauchen Energiepolitik aus einem Guss jetzt, um die Energiewende zu stemmen."

Traditionell sind die Kompetenzen zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium aufgeteilt. Das Umweltministerium kümmert sich bisher neben der Aufsicht über die Atomkraftwerke auch um die Förderung erneuerbarer Energien, mithin um fast die Hälfte der Stromerzeugung, während das Wirtschaftsministerium die Regeln für den Strommarkt festlegt und in Bereichen wie der Energieeffizienz und rund um den Ausbau der Stromnetze die Federführung hat. Bei der Energieeffizienz redet, was die Gebäude angeht, auch noch das Bauministerium mit; bei Forschungsvorhaben wiederum hat oft das Forschungsministerium das Sagen - allerdings nicht immer.

Entsprechend groß sind die Reibungen - insbesondere zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium. Während das Umweltministerium etwa traditionell erneuerbare Energien fördern will, bremst das Wirtschaftsministerium: Das Ressort, das sich auch als Fürsprecher der Industrie versteht, fürchtet steigende Energiepreise. Ähnlich beim Klimaschutz: Während Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Regeln weiter verschärfen will, drängt Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) auf Entlastungen vor allem für das produzierende Gewerbe. So ähnlich liefen die Fronten schon in früheren Regierungen, etwa zwischen Wolfgang Clement (SPD) und Jürgen Trittin (Grüne) oder zwischen Michael Glos (CSU) und Sigmar Gabriel (SPD). Oft entstehen so Pattsituationen mit monatelangem Stillstand; zuletzt rund um die deutsche Position zu einer EU-Richtlinie zur Energieeffizienz. Erst nach monatelangen Verhandlungen fand die Bundesregierung zu einer gemeinsamen Linie - die anderen Mitgliedstaaten hatten da schon lange munter verhandelt.

Kritiker halten diese Konstellation vor allem für die Energiewende für unzureichend. So verlangt der Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) schon seit Monaten ein "Kontrollzentrum", das alle Schritte überwacht. Dieses müsse allerdings nicht zwangsläufig ein eigenes Ministerium sein, heißt es beim BDI. Auch die Ethikkommission, die im vergangenen Jahr die Fukushima-Wende von Schwarz-Gelb begleiten sollte, hatte eine solche Kontrolle gefordert - allerdings in Gestalt eines "Parlamentarischen Beauftragten für die Energiewende". Doch am Ende kam nur eine vierköpfige Kommission heraus. Sie ist mit Wissenschaftlern besetzt und soll die Fortschritte der Energiewende verfolgen. Allerdings ist sie eher von der Zuarbeit von Wirtschafts- und Umweltministerium abhängig als umgekehrt.

Ganz offensichtlich will die Kanzlerin die Fäden einstweilen selber in der Hand behalten. Für den 23. Mai hat sie die Länderchefs ins Kanzleramt geladen - für wichtige Themen wie den Netzausbau oder die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung. "Überall da, wo es wichtig ist, sich als Kanzlerin einzubringen", sagt Regierungssprecher Steffen Seibert, "da wird sie es tun."

© SZ vom 21.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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