Maut:Politisches Manöver

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Eine Wiener Firma soll die deutsche Pkw-Maut kontrollieren. Der Auftrag zielt auch darauf ab, Österreich in Verlegenheit zu bringen. Denn es klagt gegen das Projekt.

Von Markus Balser, Berlin

Nach hitzigen Diskussionen um die geplante Pkw-Maut in Deutschland war es zuletzt still geworben um das Prestigevorhaben der CSU. Doch in diesen Tagen wird klar: Die Vorbereitungen für einen Start der umstrittenen Abgabelaufen hinter verschlossenen Türen weiter. Den Auftrag für den Betrieb des Kontrollsystems an den Autobahnen will das Bundesverkehrsministerium an den österreichischen Anbieter Kapsch vergeben. Es geht dabei nicht nur um viel Geld. Sondern möglicherweise auch um den Versuch, das durch einen Rechtsstreit gefährdete Großprojekt zu retten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte zuletzt angekündigt, das vom Bundestag beschlossene Vorhaben noch in dieser Wahlperiode umzusetzen, die Maut also spätestens 2021 einzuführen. Noch ist allerdings vieles offen, etwa wer die Maut eigentlich erhebt. Dieses noch größere Bewerbungsverfahren mit Angeboten mehrerer Konsortien läuft derzeit noch. Die nun getroffene Entscheidung für den österreichischen Bewerber gilt allerdings auch als politischer Vorstoß. Denn der Bundesregierung droht bei der Pkw-Maut ein ernstes Problem. Und das hat vor allem mit dem Nachbarland Österreich zu tun.

Denn die Regierung in Wien hatte gegen das deutsche Vorhaben vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) geklagt, weil die deutsche Maut letztlich nur ausländische Autofahrer trifft und damit EU-Ausländer benachteiligt. Deutsche Halter werden in Höhe der Maut über die Kfz-Steuer entlastet, zahlen also nicht drauf. Mit der Vergabe bringt Scheuer die österreichische Regierung in eine schwierige Lage. Hält sie an der Klage fest, schadet sie möglicherweise der eigenen Wirtschaft. Denn der Klage, der sich auch die Niederlande angeschlossen haben, räumen Juristen gar keine schlechten Chancen ein. Sie könnte die Maut-Einführung letztlich ausbremsen.

Käme es zur Einführung, bekäme das Wiener Unternehmen einen lukrativen Auftrag. Der Vertrag soll über zwölf Jahre laufen und kann auf bis zu 15 Jahre verlängert werden. Er hat nach Angaben des Unternehmens ein Volumen von bis zu 120 Millionen Euro. Konkret geht es laut der Ausschreibung um das vorgesehene feste Kontrollsystem. Es soll 100 Anlagen an Autobahnen umfassen. Dabei sollen Mautzahler nicht an aufgeklebten Vignetten, sondern über eine elektronische Kennzeichen-Prüfung erkannt werden. Das Verfolgen von Maut-Verstößen ist nicht Teil des Auftrags.

Das Unternehmen Kapsch TrafficCom hat nach eigenen Angaben bereits in mehr als 50 Ländern Projekte für Verkehrssysteme umgesetzt. Dazu gehören Mautsysteme in Österreich, der Schweiz und Bulgarien. Der Vertrag für die deutsche Pkw-Maut soll mit der MTS Maut & Telematik Services GmbH geschlossen werden, einer gemäß der Ausschreibung eigens gegründeten 100-prozentigen Tochter mit Sitz in Berlin.

Die Maut soll in Deutschland auf Bundesstraßen und Autobahnen kassiert werden. CSU-Parteichef Horst Seehofer, heute Bundesinnenminister, hatte sie 2015 gegen den Widerstand von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) durchgesetzt. Ein Vertragsverletzungsverfahren der EU wurde inzwischen eingestellt. Scheuer deutete zuletzt an, dass es auch zu einer außergerichtlichen Einigung mit den Nachbarn kommen könnte. Man befinde sich in konstruktiven Gesprächen über eine einvernehmliche Lösung, erklärte er.

Aus dem österreichischen Verkehrsministerium verlautete dagegen zuletzt, die Klage der Regierung vor dem EuGH laufe vorerst weiter. Sollte Deutschland die Maut trotz des Rechtsstreits einführen, könnte auch Österreich höhere Mautsätze für Ausländer prüfen, kündigte FPÖ-Verkehrsminister Norbert Hofer an. Davon wären vor allem deutsche Reisende betroffen.

© SZ vom 13.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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