Mark Zuckerberg:Ein Boss für Kriegszeiten

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Skandale, bröckelnde Nutzerzahlen: Facebook-Chef Zuckerberg will sich als Boss präsentieren, der Facebook durch eine Krise lenken kann - doch das ist eine knifflige Aufgabe. Denn dass er das kann, muss man ihm erst einmal abnehmen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt diesen Moment in der Filmtrilogie "Der Pate", in dem der Mafiaboss Michael Corleone seinen eigenen Stiefbruder Tom als engsten Berater absetzt. Es dürfte nun schwierig und schmutzig werden, sagt er, und da könne er keinen netten Typen gebrauchen: "Du bist kein Consigliere für den Krieg." Der Investor Ben Horowitz hat dieses Motiv vor sieben Jahren in einem mittlerweile legendären Essay aufgegriffen und die Firmenchefs im Silicon Valley in "Peacetime CEOs" und "Wartime CEOs" unterteilt. In ruhigen Zeiten brauche es einen Lenker, der ein Unternehmen behutsam aufbaut und strategische Entscheidungen trifft, wie es zum Beispiel Eric Schmidt bei Google oder John Chambers bei Cisco getan haben. Der Kriegsboss (Andy Grove von Intel oder Steve Jobs bei seiner Rückkehr zu Apple) muss eine Firma retten, und er muss dabei bereit sein zu harten Maßnahmen.

Facebook-Gründer Mark Zuckerberg hat laut Wall Street Journal (WSJ) den 50 wichtigsten Mitarbeitern bereits im Frühling mitgeteilt, dass sich das Unternehmen im Krieg befinde, und dass er sich als Chef nun dementsprechend verhalten müsse. Er möchte also nach Jahren des beinahe ungebremsten Aufstiegs nun ein Wartime CEO sein, ein harter Hund, der das Unternehmen durch die Krise führt. Hochrangige Offiziere (Sicherheitschef Alex Stamos, die Instagram-Erfinder Kevin Systrom und Mike Krieger oder Whatsapp-Mitgründer Jan Koum) haben das Unternehmen verlassen, und laut WSJ fürchtet nun seine wichtigste Vertraute Sheryl Sandberg, dass Zuckerberg ihr genau das sagt, was Michael Corleone in "Der Pate" zu Tom gesagt hat.

Das Unternehmen kämpft derzeit an mehreren Fronten, es geht nicht mehr nur darum, inwieweit russische Hacker vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl auf der Plattform aktiv gewesen sind - es geht nun vor allem um den Umgang des Unternehmens damit. Zunächst hatte Facebook den Skandal kleingeredet und sich erst nach massivem öffentlichen Druck reumütig gezeigt, intern allerdings soll Zuckerberg da längst in den Kriegsmodus gewechselt haben. Das Unternehmen heuerte die PR-Agentur Definers Public Affairs an, zu deren Spezialitäten es gehört, politische Kampagnen auf Unternehmen zu übertragen.

Die angeblichen Spannungen zwischen Sandberg und Zuckerberg könnten Taktik sein

Es soll ein, wie ein früherer Facebook-Mitarbeiter gesagt hat, "firmeneigener Fake-News-Shop" gewesen sein, der positive Nachrichten über Facebook verbreitet und gleichzeitig andere Firmen diskreditiert. Zuckerberg dementierte das am vergangenen Donnerstag während eines Telefonats mit Journalisten, er sagte jedoch: "Wir müssen grundsätzlich all unsere Geschäftsbeziehungen überprüfen". Einen Tag später stellte er sich per Videokonferenz den Fragen der Mitarbeiter, er soll dabei leidenschaftlich aufgetreten sein und gefordert haben, gefälligst die Moral der Mitarbeiter zu stärken, weil nur unzufriedene Angestellte unbequeme Interna nach außen tragen würden. Sandberg, 49, soll während der Konferenz die Verantwortung für die Verpflichtung von Definers übernommen haben.

Sie ist vor zehn Jahren von Google zu Facebook gewechselt, sie hat aus dem Start-up ein profitables Unternehmen geformt und an die Börse geführt. Zuckerberg war der mit den Ideen, Sandberg die fürs tägliche Geschäft. Sie wurde zu einer Ikone des Feminismus, und nicht wenige trauen ihr noch immer eine erfolgreiche politische Karriere zu. "Sie hat ihr Image gepflegt, so wie die Gärten in Tokio gepflegt werden", sagt Scott Galloway, Professor für Marketing an der New York University: "Über diesen Garten ist allerdings ein Hurrikan hinweggefegt."

Es ist durchaus möglich, dass es immense Spannungen zwischen Zuckerberg und Sandberg gibt. Andererseits möchte Facebook nach allem, was zuletzt zu lesen und hören war, seine Geschichte möglichst selbst schreiben. Es kann deshalb auch sein, dass die kolportierten Spannungen nur Teil des Lichts sind, in das sich Facebook nun selbst rücken möchte. Zuckerberg wird durch seine offen zur Schau gestellte Härte zum Wartime CEO, der nicht mal davor scheut, seine wichtigste Vertraute heftig zu kritisieren.

Sandberg wird dadurch aber nicht wirklich demontiert, sondern übernimmt vorbildlich Verantwortung für Fehler und wird zum Wartime-Consigliere. Facebook darf sich so präsentieren als ein Unternehmen, das Probleme in schwierigen Zeiten energisch anpackt und nicht mehr kleinredet oder vor sich herschiebt.

Das kann funktionieren, wenn alle ihre Rollen perfekt ausfüllen - es kann aber auch mächtig schiefgehen, wenn ihnen diese Rollen nicht abgenommen werden von der Öffentlichkeit und den Mitarbeitern. Horowitz, der sich als nicht besonders erfolgreichen Peacetime CEO bezeichnete, glaubt zwar grundsätzlich daran, dass sich ein Chef auch wandeln könne, er schrieb damals aber: "Es ist schwer, weil es bedeutet, die vielen Regeln des Management zu kennen - und zu wissen, wann man sie befolgen und wann man sie brechen muss." Zuckerberg wird nun beweisen müssen, dass er tatsächlich Wartime CEO kann. Es ist seine bislang kniffligste Aufgabe als Facebook-Chef.

© SZ vom 22.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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