Marc Cain:Designer-Kleidung für lau

Vereint Ästhetik und wirtschaftlichen Erfolg

Mode aus Bodelshausen bei Tübingen: Mitarbeiter bekamen viel Markenware umsonst und wohl auch steuerfrei.

(Foto: PR)
  • Das Modeunternehmen Marc Cain soll seit mindestens 2012 Umsatz- und Lohnsteuern hinterzogen haben. Mitarbeiter sollen große Mengen Kleidung geschenkt bekommen haben.
  • Solche geldwerten Vorteile müssen ab einer jährlichen Freigrenze von 1080 Euro versteuert werden.
  • Das Unternehmen bestreitet den Vorwurf der vorsätzlichen Täuschung.

Von Stefan Mayr und Hannes Munzinger, Bodelshausen

Die Marc-Cain-Allee wird ihrem Namen nur teilweise gerecht. Der erste Teil passt noch: Fast die ganze Straße ist umsäumt von den schmucken, schneeweißen Gebäuden des Mode-Herstellers Marc Cain. Aber eine Allee ist diese Straße durch das "Gewerbegebiet West" nun wirklich nicht. Einige wenige Bäume stehen zwar herum, aber die sind jung bis mickrig. Um sich an dieser Stelle auf einer Allee zu wähnen, braucht man schon viel Fantasie - und eine große Portion Optimismus. Aber vielleicht passt das ja perfekt zur Fashion-Branche: Ein bisschen Schein statt Sein ist schon okay.

Es ist also in Ordnung, wenn die 5800-Einwohner-Gemeinde Bodelshausen im Landkreis Tübingen ihrem prominentesten Arbeitgeber eine eigene Allee widmet. Zumal sich Firmengründer und Inhaber Helmut Schlotterer nicht lumpen lässt, wenn es um die Unterstützung der Bürger geht: ein Auto für das Rote Kreuz, neue Trainingsanzüge für den Sportverein, der regelmäßige Obsttag an der Grundschule, alles Dank Schlotterer. Rund 1000 Menschen beschäftigt Marc Cain, mit einem Jahresumsatz von 266 Millionen Euro ist sie wohl die mit Abstand größte Steuerzahlerin der Gemeinde. Und möglicherweise auch eine große Steuerhinterzieherin.

Ende September vergangenen Jahres durchsuchten Steuerfahnder die Firmenzentrale in Bodelshausen, sie beschlagnahmten Akten und Daten der Geschäftsführer. Der Verdacht der Ermittler: Marc Cain soll seit mindestens 2012 Umsatz- und Lohnsteuern hinterzogen haben. Damit einher geht auch mutmaßlicher Sozialabgabenbetrug. Mindestens eine Million Euro soll das Vorzeigeunternehmen dem Finanzamt vorenthalten haben. Die Staatsanwaltschaft gehe von vorsätzlichen Täuschungen aus, sagt einer, der mit den Vorwürfen vertraut ist. Unternehmenschef Schlotterer streitet das ab.

Konkret geht es um Kleidung für Mitarbeiter. Vor allem die Verkäuferinnen in den Filialen des Unternehmens sollen jahrelang neue Kleidungsstücke in großen Mengen bekommen haben, und zwar für den Privatgebrauch, unabhängig von der Marken-Kleidung, die sie am Arbeitsplatz tragen. Solche geldwerten Vorteile müssen ab einer jährlichen Freigrenze von 1080 Euro versteuert werden. Nun ist die Mode von Marc Cain nicht die günstigste, und so kann sich leicht ein Vielfaches der steuerfreien Summe pro Mitarbeiter ansammeln. Die kostenlose Designer-Kleidung sei für viele Mitarbeiter ein Hauptgrund gewesen, für das Unternehmen zu arbeiten, sagt ein Insider, "es war allen Beteiligten klar, dass das so nicht in Ordnung geht".

In der Buchhaltung des Unternehmens gehe es bisweilen "hemdsärmelig" zu. Damit die wertvollen Geschenke nicht auffallen, sei den Mitarbeitern die Kleidung zum Wert von null Euro verkauft und rechnerisch weiterhin im Bestand der Filiale geführt worden. Helmut Schlotterer will offen darüber sprechen, ohne seinen Anwalt, das ist außergewöhnlich bei solch gravierenden Vorwürfen. Er habe nichts zu verbergen und deshalb von Anfang an mit der Steuerfahndung kooperiert. Den rechtswidrigen Umgang mit den geldwerten Vorteilen und die dubiosen Umbuchungen bestreitet er. "Wenn da geschummelt und betrogen wurde, weiß ich davon nichts", sagt er am Telefon. Ja, bei der Kleidung für die Mitarbeiter habe "niemand daran gedacht", dass Umsatzsteuer fällig sein würde, aber die habe man inzwischen nachbezahlt, eine sechsstellige Summe.

Das wird dem Unternehmen nicht schwergefallen sein, im Geschäftsjahr 2016 erwirtschaftete Marc Cain laut Geschäftsbericht einen Jahresüberschuss von 21,8 Millionen Euro. Aktuellere Zahlen gibt es nicht. 223 eigene Läden betreibt die Firma in 33 Ländern - von Armenien bis Zypern. Verwaltet wird dieses weltweite Premiummode-Imperium in der Zentrale des Unternehmens, Marc-Cain-Allee, Bodelshausen. Vor dem vierstöckigen Hauptquartier wurden zwei Seen angelegt, eine Fontäne plätschert, am Ufer eine Terrasse der Kantine und ein Wandelpfad, der durch einen Birkenhain führt. Alles ist akkurat gepflegt, die weißen Mähroboter machen gerade Pause. Und über all dem ragt das Dachgeschoss des Hauptquartiers wie eine Art Kapitänsbrücke hervor. Hier oben im "Schiffsbug" hat Helmut Schlotterer sein Büro.

Anwälte empfahlen eine Selbstanzeige, Schlotterer lehnte ab

Aber "der HS", wie er von den Mitarbeitern genannt wird, ist keiner, der irgendwo entrückt auf Wolke sieben herumschwebt und den Kontakt mit dem Personal meidet. Im Gegenteil. In seinen regelmäßigen Rundmails betone er stets, dass er offen für alle Sorgen der Mitarbeiter sei. "Und er lebt das auch", sagt eine Kollegin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. Man könne ihn jederzeit ansprechen und auch Scherze machen mit ihm. "Manchmal sieht man ihm vielleicht an, dass er nicht so gut gelaunt ist", sagt die Mitarbeiterin, "Aber es gibt wirklich nichts Negatives über ihn zu sagen." Sie arbeite jedenfalls gern bei Marc Cain, und das nicht nur wegen der günstigen Schnäppchen für Mitarbeiter. Andere erzählen vom Gegenteil, beschreiben "HS" als Tyrannen, der mit abweichenden Meinungen nicht umgehen könne.

Das galt offenbar auch für die Meinung von KPMG-Anwälten, die nach einer Prüfung der fraglichen Steuerprobleme eine Selbstanzeige empfahlen. Schlotterer lehnte ab, wieder mit der Überzeugung, er habe sich nichts vorzuwerfen. "Ein schuldhaftes Handeln wurde bei uns bisher nicht belegt. Uns konnte nichts dargelegt werden, wo wir unrechtmäßig gehandelt haben", sagt Schlotterer. Er rechne damit, dass das Verfahren demnächst eingestellt werde.

Und dann ist da noch die Sache mit seiner Frau. Die SZ konnte Dokumente einsehen, die zeigen, dass sie über Jahre hinweg Kleidung im Wert einer sechsstelligen Summe von dem Unternehmen bekam, ohne diese zu bezahlen. Das interessiert auch die Steuerfahnder, weil solche Geschenke den Gewinn verringern, den das Unternehmen versteuern müsste. Schlotterer hat aber auch hierfür eine Erklärung: "Meine Frau ist Rheinländerin, Düsseldorferin und hat ihre Rechnungen halt nicht immer bezahlt. Die sagt 'zu was bin ich mit dir verheiratet'. Und ich bin seit 45 Jahren gewohnt, ihre Rechnungen zu bezahlen."

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